Zurück zu alten Ufern

Wir waren zurück auf dem Wasser nach einer langen Pause. Es fühlte sich gut an, auch wenn wir erst wieder in unseren Seemannsrhythmus finden mussten. Segeln ist ein bisschen wie Fahrradfahren – man vergisst es nicht wirklich, aber es braucht ein paar Minuten, um wieder sicher im Sattel zu sitzen. Wir waren bereit für das, was vor uns lag: alte und neue Orte, neue Erfahrungen und sicherlich auch ein paar Überraschungen.

Da waren wir nun also, das erste Mal nach sechs Monaten wieder vor Anker. Und es fühlte sich super an. Auch unser Ankermanöver gelang, obwohl wir erst in ein altes Muster verfallen waren. Nämlich zu einer Ankerbucht fahren, finden, dass da zu viele Schiffe geankert sind oder ähnliches, umdrehen, zurückschauen, es doch nicht so schlimm finden, und dann ankern. In diesem Fall war es eine Mooring Boje mitten in der Bucht, die uns verwirrte.

Seebeine rausholen

Wir mussten jetzt wieder unsere Seebeine rausholen und uns an alle Abläufe erinnern. Was macht man nun schon wieder alles nach dem Ankern? In welcher Reihenfolge? Ach ja, das Ankerlicht muss eingeschaltet werden. Die Rückdämpfer Trosse für die Ankerkette ist auch irgendwo in der Backskiste. Und den Ankertracker nicht vergessen, schliesslich wollen wir wissen, ob unser Anker hält.

Ein Genuss für alle Sinne

Es war grandios, als wir den Motor stoppten, und endlich die Ruhe geniessen konnten. Mit einem Bier stiessen wir auf die erfolgreiche Einwasserung und überhaupt alles an. Dann gab es direkt einen Garnelen-Snack. Denn noch im Kanal aus Guaymas heraus näherte sich uns ein Panga mit zwei jungen Fischern, die Garnelen verkaufen wollten. Wir sagten sofort ja, gaben ihnen ein Plastiksack und tauschten Garnelen gegen Pesos und zwei Bier. Die Garnelen waren noch ganz und fangfrisch (nicht so wie im Debakel von Peñasco). In Knoblauchbutter angebraten ein wahrer Genuss.

Unser neues Dinghy

Als nächstes konnten wir auch das neue Dinghy das erste Mal einwassern und mit dem neuen Aussenborder testen. Läuft. Wir unternahmen eine kleine Spitztour an den Strand und trafen dort auf andere Segler, die gerade von einer Wanderung zum Leuchtturm zurückkamen. Wir fragten sie darüber aus und beschlossen, am nächsten Tag ebenfalls dorthin zu wandern. Die Wegbeschreibung war simpel: Behalte immer die Strommasten im Blick, dann bist du richtig.

Zuerst ein Kaffee

Nach getaner Online-Arbeit schalteten wir Starlink aus, packten unseren Rucksack mit Wasser und Snacks, liessen das Dinghy ins Wasser und tuckerten Richtung Strand. Unterwegs gingen wir bei Shannon und Rob mit ihren beiden Katzen Chico und Max auf ‘Ocean Villa’ auf einen Kaffee vorbei. Sie wollten noch an diesem Tag mit ihrer riesigen Stahlyacht die Sea of Cortez überqueren.

Eine beeindruckende Villa

Das Schiff ist echt beeindruckend. Es wurde ursprünglich für eine Familie gebaut, deshalb hat es im Bug hat es vier Kojen für die Kinder sowie eine grosse Heckkabine für die Eltern. Dazwischen befindet sich eine grosszügige Kombüse mit Esstisch und ein Decksalon mit Sofas. Obendrauf befindet sich zudem ein Steuerhaus und eine ‘Terrasse’ zum Verweilen. Shannon und Rob nutzen diese Ozeanvilla für Charterausflüge rund um La Paz. Falls du also mal dort in der Gegend bist: Check it out.

Auf zum Leuchtturm

Als es Zeit war, verabschiedeten wir uns von den vieren in Richtung Strand und Wanderung. Zu Beginn war der Weg nicht ganz klar, aber wir fanden hier und da Fussspuren und Hufabdrücke, vermutlich von Geissen. Aber die Strommasten zeigten uns die Richtung an. Der Weg führte uns mitten durch eine sandige, steinige Landschaft, gepickt mit kleinen Bäumen und stacheligen Sträuchern. Der erste Teil ging durch die Talsohle und endete mit einem Aufstieg auf den Berg.

Faro Cabo Haro

Oben angekommen hatten wir eine tolle Aussicht auf die felsige Küste und die Weite des Meeres. Wir folgten dem Weg, entlang der Hügelkante und konnten in der Ferne den Leuchtturm ‘Faro Cabo Haro’ sehen. Als wir uns dem Leuchtturm näherten, rannten uns zwei Hunde entgegen. Die braune Hündin begrüsste uns wie wild, während der schwarz-weisse Rüde schön auf Abstand blieb. Für den Rest des Weges begleiteten uns die beiden. Wir waren nicht sicher, was diese beiden Hunde dort oben zu suchen hatten. Aber sie wirkten gesund, sauber und wohl genährt.

Der Leuchtturmwächter

Beim Leuchtturm angekommen, klärte sich das rasch auf. Wir trafen auf den Leuchtturmwächter Omar. Er lud uns ein, uns zu ihm auf die Treppe zu setzten. Dabei erzählte er, dass der Leuchtturm das ganze Jahr über rund um die Uhr besetzt ist, um sicherzustellen, dass alles auch sicher funktioniert. Denn vor allem die Cargoschiffe und die Marine sind darauf angewiesen. Er selbst arbeitet jeweils eine Woche am Stück, während der er ganz allein, nur in Gesellschaft der beiden Hunde, dort oben ist. Ab und zu hat er Besuch von Wanderern, aber da die meisten nur Englisch sprechen, und er kein Englisch spricht, kommt kaum eine Unterhaltung zustande. Immer am Samstagmorgen kommt dann die Ablösung für eine Woche. Und so geht das Woche für Woche.

Strandputzete

Vom Leuchtturm aus führte ein Weg hinunter an einen kleinen Strand. Von dort aus werden die Leuchtturmwächter jeweils bei Schichtwechsel mit einem Panga hingebracht bzw. abgeholt. Bei den Guaymanesen ist dieser Strand beliebt zum Fischen. Uns traf fast der Schlag, als wir zu dieser kleinen Bucht hinunterstiegen. Berge von Abfall lagen verstreut auf dem steinigen Strand. Die nächste halbe Stunde verbrachten wir damit, den Strand aufzuräumen. Wir füllten herumliegende Kisten mit Petflaschen, Schuhen, Kinderspielzeugt, Leinen und allerlei anderem Plastikmüll. Leider hatten wir keine Möglichkeit, all diese Kisten abzutransportieren. Wir stellten sie möglichst weit weg vom Wasser hin, wohlwissend, dass das ganze Zeugs beim nächsten Sturm trotzdem wieder im Meer landen würde.

Tschau Ocean Villa

Auf dem Rückweg kamen wir erneut am Leuchtturm vorbei. Omar deutete hinaus aufs Meer, eine grosse weisse Yacht mit blauer Unterwasserschifffarbe sei gerade am Rausfahren. Es war ‘Ocean Villa’. Wir sahen, wie das Schiff von der Dünung hin und her schwankte und hofften für sie, dass es nicht die ganze Überfahrt so bleiben würde.

Ankerprobleme

Gerade als wir wieder bei unserem Dinghy am Strand unten angekommen waren, sahen wir Pete und Nicole auf ‘Swansong’ in die Bucht einfahren. Das Schiff hatten sie an diesem Morgen eingewassert. Sie fuhren mehrmals im Kreis, ohne zu ankern. Wir tuckerten zu ihnen hin und Pete meinte, dass sie Probleme mit der Ankerwinsch hatten. Ich hüpfte an Bord, um Pete zu unterstützen. Nach einigem Überlegen entschieden wir, dass er einfach ohne Winsch ankern sollte, damit er sich danach in aller Ruhe um das Problem kümmern konnte.

Überall Bootsprojekte

Mit einem Ankerbier stiessen wir auf seinen erfolgreichen Launch an und überlegten, weshalb die Winsch nicht funktionierte. Pete tippte auf eine Blockade, David und ich auf fehlende Stromzufuhr. Gemeinsam testeten wir unsere Hypothesen unter Deck und fanden heraus, dass der Schalter der grossen Hauptsicherung der Winsch auf ‘aus’ war. Zum Glück war nichts kaputt. Da wir schon im Projektemodus waren, kümmerten wir uns auch gleich noch um seine beiden Toiletten, die kein Spülwasser anzogen. Wir gossen ein bisschen Wasser an der richtigen Stelle in die Pumpen, und voilà. Darauf stiessen wir erneut an.

Sylvester Vorbereitungen

Für Sylvester hatte es gemäss Vorhersage kaum Wind. Das war perfekt, denn wir wollten eine neue Ankerbucht testen, die nicht so gut geschützt war. ‘Milagros’ und ‘Swansong’ hatten beide weder ein Vorsegel oben und noch eine getunte Takelage, deshalb motorten wir das Stündchen um die Ecke. Uns erwartete eine wunderschöne Bucht mit klarem, türkisgrünem Wasser. Die Bucht war auf dem Landweg nur mit einem geländegängigen Auto erreichbar, deshalb erwarteten wir ein paar ruhige Tage.

Eine Karawane

Gerade als wir die Umgebung an Land erkundeten, entdeckten wir eine Karawane von SUVs, die auf den Strand zuhielt. Die Fahrer waren mit Funkgeräten ausgerüstet und man konnte sehen, dass die Autos für diese Art von Gelände ausgerüstet waren. Es war ein Männerausflug – pro Auto ein Mann. Auf dem steinigen Strand hielten sie an, liessen Luft aus ihren Reifen und fuhren weiter, über den Strand und eine Schotterstrasse den Berg hinauf. Das Schauspiel dauerte einige Zeit an, denn sie blieben immer wieder stecken, schafften es aber auch, sich wieder zu befreien.

Bis Mitternacht

Sylvester verbrachten wir ganz gemütlich gemeinsam mit Pete und Nicole in Milagros’ Cockpit, mit Tacos und Drinks. Und wider Erwarten schafften wir es, bis Mitternacht wachzubleiben und auf das neue Jahr anzustossen. Am Sylvester letztes Jahr hatten wir es gerade so bis zur Seglermitternacht um 21.00 Uhr geschafft. Als wir am nächsten Morgen aufwachten, war ‘Swansong’ bereits nicht mehr da, denn Pete wollte das windfreie Wetterfenster nutzen, um stressfrei in der Marina in San Carlos zu docken.

Wir haben Schieflage

Die Ruhe in der Bucht nutzten David und ich auch noch für eine bisschen Arbeit am Schiff. Wir tunten die Takelage und montierten unser Vorsegel. So sahen wir das erste Mal den neuen grauen UV-Schutz in Action, den ich auf dem Boatyard erneuert hatte. Das Grau sah richtig gut aus. Wir kümmerten uns auch noch um ein weitere ‘Problem’. Seit wir die alten, 200 kg schweren Batterien aus dem Motorenraum auf der Backbordseite entfernt hatten, neigte sich Milagros um ein paar Grad nach Steuerbord. Das lag daran, dass der Vorbesitzer Bleibarren als Gegengewicht auf der Steuerbordseite installiert hatte. Die Schieflage machte sich vor Anker bemerkbar, denn das Schiff schwankte stärker hin und her. Um an diese Bleibarren zu gelangen, mussten wir darüber alle Kästen ausräumen. Wir fanden sechs ca. 20 kg schwere Barren. Unschlüssig, was wir mit diesem Ballast machen sollten, legten wir sie einfach mal mittschiffs vor und hinter dem Mast in die Bilge. Wenigstens ist Milagros nun gut ausbalanciert. Aber was stellt man mit so viel Blei an?

Zurück nach Guaymas

Und dann war es auch schon Zeit, zurück nach Guaymas zu segeln. Widerwillig verliessen wir die schöne ruhige Ankerbucht, wissend was uns erwartete: Lärm und Dreck und viele Leute. Aber es musste sein, denn David flog kurzdarauf für die Arbeit nach Bangkok. Ich würde währenddessen fast 20 Tage allein auf dem Schiff sein. Deshalb wollte ich an einem Ort sein, an dem ich unabhängig sein konnte und mir bekannte Segler um mich hatte, die mir bei Bedarf helfen konnten. Wir entschieden uns für den Ankerplatz vor der Marina Fonatur in Guaymas, die direkt neben dem Malecón lag. Nicht schön, aber praktisch halt.

Ein schlechtes Omen?

Pete und Nicole holten uns an Davids Abreisetag frühmorgens bei der Marina ab, um noch ein letztes Mal gemeinsam zu frühstücken. Das Hotel gegenüber der Busstation hatte ein exquisites Frühstücksangebot. Leider waren wir zu früh für das à la carte Frühstück und mussten uns mit dem Hotelbuffet begnügen. Dabei wurden wir Zeuge davon, wie eine Taube Kopf voran in einen unter dem Vordach montierten Fernseher flog und sich das Genick brach. Weshalb sie überhaupt dort durch flog, ist uns bis heute ein Rätsel. Wir hofften nur, dass das kein schlechtes Omen für die kommenden Wochen war.

Tschau Tschau David

Und dann war es auch schon Zeit für David in den Bus nach Hermosillo zu steigen und sich auf eine halbe Weltreise zu begeben. Hermosillo – Mexico-Stadt – Tokyo – Bangkok; Reisedauer 52h! Und da war ich, das erste Mal ganz allein auf dem Schiff vor Anker...

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