Die Vorbereitungen für die Einwasserung liefen auf Hochtouren. Nach 9 Monaten auf dem Boatyard wollten wir schliesslich endlich fertig werden. Deshalb sollte uns nichts, aber auch gar nichts davon abhalten. Doch wir stossen auf Hindernisse mit unserem Motor.

Bekannte Probleme
Wir hatten bereits einigen Schiffen beim Einwassern geholfen und wussten nun aus Erfahrung, dass hauptsächlich 2 Dinge Problem bereiten können: undichte Borddurchlässe und bockige Motoren. Für ersteres konnten wir nicht viel mehr tun, als für den Fall der Fälle neue Bordurchlässe und Dichtungsmaterial zu bestellen. Für zweiteres wollten wir einen Motorentest auf dem Trockendock durchführen. Wir hatten uns immer etwas davor gedrückt, da der Motor für uns noch sowas wie eine schwarze Box war. Man stellt Wasser-, Öl- und Dieselversorgung sicher, dreht den Schlüssel, dann kommen hinten Wasser und Abgase aus dem Auspuff und der Propeller dreht sich. Aber es musste einfach sein. Wir wollten schliesslich nicht in den Schlingen am Kran hängen und nicht losfahren können, nur weil – weil was eigentlich?
Händchen halten
Da sich die Abreise von Rob und Sarah auf SV Mapache verzögerte (sie mussten auf Ersatzteile für den neu überholten Motor warten), baten wir Rob, uns beim Motorentest beizustehen. Er hatte seinen kompletten Motor auseinandergebaut und wieder zusammengesetzt, deshalb war er der perfekte Mann dafür. Bald darauf war es soweit. Wir füllten zwei grosse Fässer mit Wasser und besorgten einen Schlauch, damit die Wasserkühlung des Motors funktionieren konnte. Eigentlich hätten wir unseren Motor auch über unseren internen Wassertank laufen lassen können. Der neue Bordurchlass hat zwei Einlässe: einen für Süsswasser und einer für Salzwasser. Doch unser Motor braucht etwa 10 Gallonen (ca. 40 Liter) Wasser pro Minute, da reichen unsere 42 Gallonen nicht wirklich weit.
Wir sind bereit
Bevor wir mit dem Test begannen, stärkten wir uns mit Apfelkrapfen von Candy Cake, die Rob uns zur Beruhigung oder vielleicht einfach, weil sie die besten in der Stadt sind, mitgebracht hatte. Danach postierten sich Sarah und Doug unten bei den Fässern, um die Wasserversorgung sicherzustellen. David übernahm den Schlüssel, ich war unten beim Motor und Rob stand uns im Cockpit bei. Ich war ziemlich nervös, denn ein gröberes Problem mit dem Motor könnte das Einwassern um Wochen oder gar Monate verzögern.
Top oder flop?
Als David den Schlüssel drehte, sprang der Motor sofort an und schnurrte. Und wir jubelten. Doch es war zu einfach, um wahr zu sein: Kurze Zeit später stellte der Motor einfach ab. Bei Dieselmotoren gibt es dafür meist nur einen Grund: kein Diesel. Das kann u.a. von verstopften Filtern, geschlossenen Hähnen, Luft im System oder leeren Tanks stammen. Wir füllten also in beide Tanks je 5 Gallonen (ca. 20 Liter), checkten alle Hahnen, ob sie auch wirklich offen waren, und prüften die Filter. Dann mussten wir den Motor entlüften. David hatte damit schon Erfahrung, denn auf der Reise nach Peñasco mussten die Milagros Crew bereits das ganze Prozedere durchführen..
Die Luft muss raus
Wir holten das Motorenhandbuch zur Hilfe und öffneten der Reihe nach alle Entlüftungsschrauben. Eine konnten wir irgendwie nicht finden und obwohl wir zusätzlich WD40 als Starthilfe in den Luftfilter sprayten, wollte der Motor nicht starten. Es hatte Luft im System und wir kriegten sie nicht raus. Nach ein paar Stunden erfolglosem Probieren gaben wir auf und gönnten uns Tacos. Und es gab zusätzlich ein neues Problem: das Gewinde für die Entlüftungsschraube am Aludeckel der Dieseleinspritzpumpe war ausgerissen. Es ist eigentlich eine Banjo-Schraube, d.h. 2 Schrauben ineinander, wobei die kleinere der beiden für die Entlüftung benutzt werden sollte. Dem Zustand des Gewindes nach wurde aber in der Vergangenheit immer (öfters) die grössere der beiden verwendet, was schlussendlich dazu geführt hat, dass das Gewinde nun kaputt ist.
Verschiedene Optionen
Da es sich bei der Einspritzpumpe um das Herzstück des Motors handelt, welches den Diesel mit hohem Druck in die Einspritzdüsen pumpt, musste eine solide Lösung her. Wir begannen, verschiedene Möglichkeiten zu betrachten, recherchierten im Internet und fanden Ersatzteile vor allem in England, da unser Motor selbst Engländer ist. Es ärgerte mich etwas, dass ich nur wenige Tage zuvor in England ein komplettes Dichtungsset für den Motor bestellt hatte und dies schon unterwegs war. Aber nun gut.
Es kristallisierten sich drei Optionen heraus:
- Die Entlüftungsschraube mit Quick Steel, einer Zweikomponenten Epoxidknetmasse, umwickelt in das Loch drücken und dort für immer festmachen. Da es sich um eine Banjo-Schraube handelt, würde die kleinere, innere Schraube immer noch bewegt werden können. Dies wäre aber nur eine temporäre Lösung gewesen, einfach um das Einwassern möglich zu machen und sich später richtig um das Problem zu kümmern.
- Einen neuen Deckel bestellen und ersetzen (lassen). Das hätte je nach Bestellort 1 – 4 Wochen gedauert und um die 120 CHF gekostet.
- Die gesamte Einspritzpumpe ausbauen und überholen (lassen). Das hätte mit Einschicken mindestens 4 Wochen gedauert und etwa 400 CHF gekostet.
Schwarmintelligenz
Mithilfe des Hive Minds (ein Running Gag im Boatyard, man fragt sozusagen das «kollektive Gedächtnis» um Rat), einigen Diskussionen und einer unerwarteten Überraschung entschieden wir uns für Option 2. Der Zufall wollte es nämlich, dass wir in den Untiefen unseres Ersatzteillagers eine komplette Einspritzpumpe fanden. Zusammen mit einem YouTube-Video eines australischen Traktormechanikers nahmen wir so zu Übungszwecken diese Pumpe auseinander. Und wir kamen zum Schluss, dass wir es schaffen sollten, diesen Deckel auszubauen und wieder einzubauen. Die Plomben und die Empfehlung, nicht selbst daran herumzuhantieren ignorierten wir gekonnt.
Viva Mexico
Bevor wir den neuen Deckel aus England bestellten, fragten wir unseren Freund Lionel vom Caterpillar Laden, ob er auch sowas besorgen könnte. 3 Tage später hielten wir für 30 CHF einen neuen Deckel inklusive Dichtungen in der Hand. Viva Mexico! David baute den alten Deckel aus, dann zerlegten wir ihn in seine Einzelteile und montierten sie alle am neuen, frisch weiss angesprühten Deckel. Und dann baute ich den neuen Deckel ein.
Deckel drauf
Es war natürlich nicht so einfach, wie am Übungsmodell – sowohl das Ein- wie das Ausbauen. Das anspruchsvollste war, die grosse Feder innendrin in das richtige Loch einzuhängen. Und den kleinen Pin und seine Feder nicht zu verlieren. Und möglichst keinen Dreck und keine Fremdkörper in die Pumpe fallenzulassen. Das alles über Kopf und mit der falschen Hand. Der kleine Pin mit der Feder spickte tatsächlich davon – die Feder fanden wir auf Anhieb in der Bilge wieder, den Pin nicht. So nahmen wir einfach den Pin der alten Pumpe und verlegten die Suche nach dem Pin auf später. Schlussendlich war dann der Deckel aber drauf.
Fast erfolgreich
Bevor wir den Motor erneut testeten, diesmal gemeinsam mit Mat, liessen wir den Diesel aus beiden Tanks durch die Filter laufen um etwaige Luft rauszukriegen. Doch der Motor wollte auch nach mehrmaligem Entlüften nicht anspringen. Schlussendlich fanden wir aber die letzte Entlüftungsschraube und mithilfe von Starterspray sprang der Motor endlich an. Leider funktionierte unsere Idee mit den Wasserfässern nicht, so liessen wir ihn ein paar Minuten über unseren internen Wassertank laufen. Juhuuuuuuu! Wir hatten aber leider ein neues Problem: ein Leck an der Mutter einer Dieselleitung an einer der Einspritzdüsen. Aber die Lösung dessen sollte ein Problem der zukünftigen Milagros sein. Immerhin lief der Motor!
Hallo Baumbeschlag
Nach drei langen Monaten des Wartens erhielten wir die Nachricht, dass unser neuer Baumbeschlag verschickt wurde. Endlich war das letzte Puzzleteil unterwegs zu uns. Als wir ihn dann in den Händen hielten, traf uns fast der Schlag- schon wieder! Der neue Beschlag war so lang wie er breit sein sollte, und umgekehrt. Erneut entsprach er nicht dem, was wir wollten. Einige Abklärungen später beschlossen wir aber, ihn einfach so zu montieren, wie er war und wieder einmal das Schiff passend zu machen anstatt umgekehrt. Immerhin erhielten wir das Geld zurück. Doch wir hätten lieber den passenden Beschlag gehabt.
Was wir wollten... Was wir kriegten...
3-mal länger
Die Montage dauerte geschlagene 3 Tage. Wir mussten 26 Löcher bohren, Gewinde in die Bohrlöcher eindrehen und mit Metallgewindeinsätzen, sogenannten Helicoils bestücken. Leider passten die Helicoils, die wir hatten, nicht und das Einsetzwerkzeug gab ebenfalls den Geist auf. Also mussten wir neue, passende Helicoils und ein neues Tool nach Lukeville an die Grenze bestellen. Tags darauf fuhren wir mit Doug dort hin und überquerten das erste Mal, seit am 8. November die Einreisesperre aufgehoben wurde, die Grenze in die USA. Das Einreiseprozedere dauerte ewig und der Grenzbeamte – noch in der Einarbeitung - tackerte das Visum direkt auf die erste Seite unserer Pässe. Unsere Mission war aber erfolgreich und schon am nächsten Tag konnten wir den Baumbeschlag und den Baum montieren.
Gewinde schneiden Einen Helicoil einsetzen
Tadaaaa Die Segelschiene muss gekürzt werden
Holzarbeiten
Es standen auch noch ein paar Schreinerarbeiten auf dem Plan. Für unseren neu gewonnenen Stauraum unter der Kombüse baute ich Boxen aus Holz, und David strich sie weiss an. Ausserdem war die Unterseite der einen Schiebtür des Motorenraum zersplittert und bedufte eines neuen Stück Holzes, welches wir in einer Schreinerei um die Ecke herstellen liessen. Das Abarbeiten der To-Do-Liste lief wie geschmiert.
Aberglaube?
Gemeinsam mit Marga von Dogfish Boatworks checkten wir Milagros von Bug bis Heck. Wir fanden einige Dinge, die zu einem späteren Zeitpunkt noch verbessert werden mussten, doch Milagros war nun bereit für die Einwasserung. Das Warten auf ein geeignetes Wetterfenster verbachten wir unter anderem damit, unseren Namen in der Cruisers Lounge an die Wand zu malen. Man sagt, wer das nicht täte, hätte Probleme bei der Einwasserung und überhaupt. Und das wollten wir auf keinen Fall riskieren. Also besorgten wir uns einen Beamer und David malte unser Logo an die Wand.
Kometenbeobachtung
Wir nutzten auch die einmalige Gelegenheit, den Kometen Leonard zu betrachten. Das letzte Mal kam er vor 80'000 Jahren an der Erde vorbei und wird es das nächste Mal in rund 70'000 Jahren tun. Bewaffnet mit Ferngläsern gingen wir zum Strand und suchten den Abendhimmel im Westen ab. Er sollte über dem Horizont rechts oberhalb der Verlängerung der Jupiter, Saturn und Venus Achse sichtbar sein. Und tatsächlich sahen wir den grünlich blinkenden Kometen langsam über den Himmel ziehen. Ein wirkliches ‘once in a lifetime’ Erlebnis. Und wir waren so was von bereit, den Boatyard ‘once and for all’ auf dem Wasserweg zu verlassen!
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