Vom Pech verfolgt

Unser Fiberglas Material wurde endlich geliefert – der Wiederaufbau der Hülle konnte beginnen! Endlich, dachten wir, hört die Zerstörung auf. Dem war leider nicht so. Wir lernen zwar viel, werden aber vom Pech verfolgt.

Seit mehr als 10 Jahren trinken Dave und ich jeden Morgen gemütlich einen Milchkaffee im Bett. Immer derjenige, der früher wach ist (also meistens ich) bringt dem anderen den Muntermacher. Wie man sich vorstellen kann, passieren manchmal Unfälle – so auch zu Beginn dieser Woche. Dave stiess ausversehen seine Kaffeetasse um, die auf der Anlage neben seinem Kopf stand. Trotz sofortigem Eingreifen ergoss sich die ganze Tasse über eReader, Tablet und Matratze. Was bedeutete: unter anderem der Bezug der Matratze musste gewaschen werden. Eine mühsame Angelegenheit, und zudem auch gerade noch am gefühlt einzigen Tag, an dem die Sonne sich hinter Wolken versteckte und das Zeug einfach nicht richtig trocknen wollte.

Meatballs zur Aufmunterung

Ein toller Wochenstart also. Das einzig positive an der ganzen Sache war immerhin, dass wir dadurch herausgefunden haben, dass unsere Matratze verkehrt herum lag und der Gedächtnisschaum nach unten zeigte. Abends gab es leckere Spaghetti mit selbstgemachten Meatballs bei SV Catspaw und allerlei Desserts, was uns den mühsamen Tagesstart etwas vergessen liess.

Etwas stimmt nicht

Die nächste Überraschung kam am Tag darauf. Da wir unsere beiden undichten Wassertanks ersetzen müssen, haben wir deren Masse an eine US-Firma geschickt, die Plastiktanks herstellt. Als mögliche Optionen, die unseren bestehenden Tanks am nächsten kamen, erhielten wir zwei verschiedene Modellvorschläge: einmal 14 Gallonen (53 Liter) und einmal 18 Gallonen (68 Liter). Wir waren etwas erstaunt, denn gemäss Ausschreibung unseres Bootes hatten wir eine Wasserkapazität von 132 Gallonen (500 Liter). Irgendetwas ging da nicht auf.

Eigene Volumenberechnungen

Wir kramten in unseren Mathekenntnissen und berechneten das Volumen unserer Tanks. Wir fielen fast rücklings vom Stuhl. Und rechneten nochmals. Aber die Kapazität der beiden Tanks blieb bei je rund 19 Gallonen (70 Liter). Das bedeutete total nur 36 Gallonen (140 Liter) und somit satte 86% weniger Wasserkapazität als angenommen. Bei einem Durchschnittsverbrauch von ca. 5-10 Gallonen (20-40 Liter) zu zweit pro Tag reicht unser Wasservorrat also nur 3-7 Tage.

Dasselbe gilt übrigens auch für unsere Dieseltanks und war die Lösung des Motorenproblems auf der Überfahrt nach Puerto Peñasco. Unsere Tanks fassen nicht wie angenommen 117 Gallonen (443 Liter) sondern nur 60 Gallonen (230 Liter). Kein unlösbares Problem, aber dennoch unnötig. Wir mussten über eine mögliche Erweiterung unsere Tankkapazitäten nachdenken, wobei uns Marga von SV Dogfish unterstützte.

Achtung offene Bilge

Bevor wir unsere Wassertanks endgültig aufgaben, wollten wir noch einmal testen, ob sie wirklich undicht sind. So füllten wir diese und schauten, was passiert. Währenddessen bin ich kurz zu Oxxo, eine Art Tankstellenshop, um unseren Biervorrat aufzustocken. Ich entschied mich für einmal für das billige Coors Light und schien damit einen Fluch auf uns gezogen zu haben. Die grösste Warnung hatte ich ignoriert: Ich musste meine ID zeigen. Mit bald 32 Jahren. In Mexiko. Und ich hatte sie natürlich nicht dabei. Also bin ich zurück, habe die ID geholt und das Bier trotzdem gekauft.

Ein unnötiger Unfall

Wir hatten also unsere Bilge offen, um zu überprüfen, ob unsere Tanks dicht waren. Noch während ich die selbstgemachte Pizza aus dem Ofen holte, ermahnte ich Dave, aufzupassen wegen der offenen Bilge. Als ich mit meinem Stück Pizza auf dem Teller zum Tisch lief, rutschte mein Fuss prompt ab und ich trampte in die Bilge. Nichts passiert? Von wegen. Die Pizza lag am Boden, der Teller in tausend Stücke zerschellt, mein Fuss schmerzte, ich spürte schon die blauen Flecken, die tags darauf an meinen Armen und Beinen sichtbar sein würden und die Hauptwasserverteilung war zerbrochen.

Letzteres war besonders mühsam, denn Wasser tropfte in raschem Tempo aus den Tanks in unser Schiff. Das zerbrochene Stück war die Verbindung zwischen den Tanks, der Wasserpumpe und den verschiedenen Wasserhähnen, mit denen wir die Tanks wieder hätten leeren können. Wir hatten keine Lust, am Morgen darauf das ganze Wasser aus unserer Bilge zu schöpfen. Deshalb musste das noch am selben Abend erledigt sein.

Das Wasser muss raus

Als wir zur Probe die Wasserpumpe laufen liessen, ergoss sich ein Schwall Wasser aus dem zerbrochenen Verteiler in unsere Bilge. Obwohl wir auf dem Trockenen waren und uns deswegen nichts passieren konnte, hatten wir doch kurz einen Stressmoment. Also mussten wir improvisieren und die Wasserleitung umleiten, damit wir das Wasser wieder aus dem Schiff kriegten. Beim ersten Versuch haben wir die Pumpe direkt an den Wasserhahn angeschlossen und Dave hat (vor sich hin schimpfend) gleich noch den Abwasch gemacht. Da uns das Ganze aber zu langsam voran ging, haben wir einen Schlauch direkt an die Pumpe gehängt und durch ein Loch in der Hülle (ein entfernter Borddurchlass) nach draussen befördert. Sorry an die 140 Liter Wasser, die wir verschwendet haben! Die Quintessenz des ganzen Dramas? Ja, unsere Tanks sind (nach wie vor) undicht.

Ein Unglück kommt selten allein

Um uns nachts vor Einbrechern zu schützen, hatten wir uns angewöhnt, vor dem Schlafengehen die Treppe zu entfernen, mit einer Leiter auf das Boot zu klettern und diese danach hochzuziehen. Dies taten wir auch an diesem Abend, aber mit dem Unterschied, dass Dave beim Hochklettern einen Stromschlag kassierte! Was war geschehen? Wir wussten es nicht. Es hatte geregnet und wir hatten an diesem Tag einen neuen Landstromstecker erhalten. Dave rief Dave von SV Cavu zu Hilfe, der mit uns abends um 10 die Fehleranalyse vornahm. Das Multimeter zeigte zwischen Leiter und Reling 105 Volt an – also war der Landstrom und dessen Erdung das Problem. Wir verfolgten das Problem zurück bis an seine Quelle: ein verkehrt herum verkabeltes Verlängerungskabel, dessen Erdung abgeknipst war (und generell nicht hätte verwendet werden sollen).

Wieso jetzt?

Aber wieso hatten wir nicht schon früher Stromschläge eingefangen? Ganz einfach: wir hatten per Zufall den geliehenen Landstromstecker richtig (also eigentlich verkehrt herum) in das Verlängerungskabel eingesteckt. Das war möglich, da der Erdungsstift gekappt war. Beim neuen Stecker ging das nicht, da er intakt war und nur in eine Richtung eingesteckt werden konnte. Obwohl das Problem durch das Verlängerungskabel verursacht wurde – wir haben neue bestellt – dürfte es eigentlich nicht passieren. Wir haben also irgendwo auf Milagros ein Problem in der Verkabelung, welchem wir nun auf den Grund gehen müssen.

Der Wiederaufbau der Hülle

Unser Fiberglas-Material war endlich angekommen und wir konnten mit dem Wiederaufbau unserer Hülle beginnen. Einerseits wollten wir die etwas tieferen Bohrlöcher und sonstigen grösseren Vertiefungen mit verdicktem Epoxidharz füllen und andererseits die ausgeschliffenen Osmoseblasen mit Fiberglas aufbauen. Ausserdem möchten wir über die Verbindungsnaht, wo die beiden Schiffshälften zusammengehalten werden, ein paar Schichten Fiberglas legen und wo nötig die Struktur wiederaufbauen.

Aceton Beschaffung

Bevor wir beginnen konnten, mussten wir noch Aceton beschaffen. Da wir vergessen hatten, Aceton zu bestellen, suchten wir in Puerto Peñasco danach. Man sagt, es sei hier in Mittel- und Südamerika gar nicht so einfach, an Aceton zu kommen, da es zur Herstellung von Drogen verwendet wird. Nach ein bisschen Rumfragen wurden wir zu einem Beautysalon geschickt, der auch andere Salons beliefert. Diese brauchen das Aceton unter anderem als Nagellackentferner und wir konnten uns ebenfalls damit eindecken.

Wir lernen Fiberglasen

Da wir zuvor noch nie mit Epoxidharz und Stoff gearbeitet hatten, lehrte uns Dave von SV Cavu die Kunst des Fiberglasens Schritt für Schritt.

  1. Mis en place: Epoxid und Härter im richtigen Verhältnis anrühren, Pinsel und Stoff parat machen, Schutzausrüstung anziehen
  2. Gewünschte Stelle mit Aceton reinigen
  3. Eine dünne Schicht Epoxidharz auftragen
  4. Ein passendes Stück Stoff ausschneiden und auflegen
  5. Epoxidharz auftragen, bis der Stoff durchsichtig wird
  6. Ein etwas grösseres Stück Stoff ausschneiden und auflegen und den ganzen Prozess wiederholen, bis die Ausbuchtung gefüllt ist.
  7. Sollte nach 24h das Resultat nicht wie gewünscht sein, kann die wachsartige Schicht, die sich beim Härten bilden, mit einem rauen Schwamm und Seife abgewaschen und danach die betroffene Stelle angeschliffen werden. Anschliessend kann der Prozess von neuem gestartet werden.

Wir sind nun also damit beschäftigt, die gefühlt Millionen von Bohrlöchern (wir haben es vielleicht etwas übertrieben beim Anbohren) und ausgeschliffenen Osmoseblasen zu reparieren. Es kann sich nur um Jahre handeln, bis wir fertig sind…

Wir testen das weitere Vorgehen

Wenn alle Löcher, Blasen und sonstigen Stellen repariert sind, ist der Plan, die komplette Hülle mit Zweikomponenten-Spachtelmasse glatt zu kriegen, um danach Primer und Antifouling (unter der Wasserlinie) bzw. Farbe (über der Wasserlinie) auftragen zu können. So die Kurzversion.

Marga von SV Dogfish hatte die Idee, an einigen Stellen am Rumpf Farb- und Behandlungstests durchzuführen, um zu schauen, welche Kombinationen zum besten Resultat = glattesten Ergebnis führen würden. Da SV Alegría gerade mit Zweikomponenten Spachtelmasse und Primer arbeiteten, durften wir ihre Reste verwerten. So haben wir fünf Stellen unserer auf das pure Fiberglas heruntergeschliffenen Hülle auf verschiedene Arten präpariert und mit Primer gestrichen.

  1. Unbehandelt (durch das Sandstrahlen raue Fiberglas)
  2. Geschliffen
  3. Mit Epoxidharz gestrichen und angeschliffen
  4. Mit verdicktem Epoxidharz überzogen und angeschliffen
  5. Mit Spachtelmasse überzogen und geschliffen
Die verschiedenen Teststellen

Obwohl wie erwartet das Ergebnis mit der Spachtelmasse eindeutig das beste war, hatten wir dennoch insgeheim gehofft, dass es Überraschungen geben würde. Die (böse) Überraschung kam von woanders, aber dazu nächste Woche mehr.

86% weniger Wasserkapazität! Autsch, das tut weh. Willst du uns helfen? Klicke auf den Button weiter unten (kein Account vonnöten!). Helfen kannst du auch auf Patreon.

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6 Comments

Wow I am learning so much from your blog. Feeling you pain through the woes of boat building. We think of you all the time. Say hello to SV Catspaw from us. Be safe and Happy Spring!

I am also a Peterson 44 owner. Did the water tanks you you show come from under the galley counter? Do you not have tanks under the saloon sole? Most of the Petersons to my knowledge have a total of 4 tanks. Two under the galley and two more under the saloon sole. I know Dogfish is another Peterson, what sort of tank age does she have?
I am enjoying your blog. S/V PO OINO ROA

Hey Jerry, great to hear from you and thank you for your feedback! Yes, the two tanks are below the galley. They are the only water tanks we have… Our two diesel tanks are below the dining table and under the floor between settee and mast. The previous owner has most likely changed the size and location of both the water and diesel tanks. We’ve already discussed the tank situation and possible options with Marga, Dogfishs owner. Are your tanks in the original spots? Greets, Pati and Dave

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