Verrückte Zeiten im Backofen von Guaymas

Während ich diese Zeilen schreibe, sind wir schon wieder zurück in der schönen Schweiz. Es tut gut wieder zuhause zu sein. Die Saison haben wir mit einem Highlight abgeschlossen – unser Schiff sieht aus wie neu! Das Deck ist fertig gestrichen. Aber auch hier in der Schweiz werden wir von Milagros nicht verschont. Facebook explodiert eines morgens förmlich vor schlechten Neuigkeiten. Aber eins nach dem anderen.

Langsam wurde es heiss in Guaymas. Und nicht nur ein bisschen heiss. Wir befanden uns in einer Bruthitze wie wir sie wahrscheinlich noch nie erlebt haben. Das Thermometer erreichte praktisch jeden Tag 40 Grad Celsius. Dazu kam die Intensität der Sonne. Wir versteckten uns während dem Tag meistens in unserer kleinen Mietwohnung bei Rene und Carina in der Kühle der Klimaanlage und widmeten uns unseren Computern.

Arbeiten im Backofen von Guaymas

Die beiden Maler David und Raul litten unter der Hitze, das merkte man. Als es richtig heiss wurde, verringerte sich ihr Arbeitstempo merklich. Wir können es ihnen nicht übelnehmen. Denn die Arbeit im Guaymas-Backofen ist brutal. Regelmässiges trinken, Pause machen im Schatten und sich nicht übernehmen ist Pflicht. Manchmal hatten wir fast ein schlechtes Gewissen den beiden gegenüber.

Es kommt gut!

Aber wir konnten sehen: Da war etwas wirklich Tolles auf dem Weg! Das Deck war das letzte Puzzleteil dazu, dass Milagros ein kleines Meisterwerk wird. Das Schiff wird wie verwandelt aussehen. Die tagelange Spachtel- und Schleifarbeit resultiert in perfekten Oberflächen. Das zahlt sich am Schluss beim Anstrich aus, der so sein volles Potential entfalten kann. Wir selbst hätten aber bei weitem nicht so viel gespachtelt und geschliffen. Aber ja, wir machen die Arbeit ja nicht selbst. Darum mal schön das Maul halten.

Kleinere Baustellen

Abgesehen vom schön gemütlich in der Klimaanlage rumsitzen haben wir uns noch um kleinere Baustellen gekümmert. So ist beispielsweise unsere neue Wellenbremse angekommen. Die soll mithelfen zu verhindern, dass wir sich unsere Welle wieder verbiegt. Mit ihr können wir den Propeller während dem Segeln daran hindern, dass er frei dreht. Das resultiert in weniger Belastung für das Material und weniger Lärm.

Auch haben wir unserem Teak ein wenig Liebe gegeben. Wir haben es sorgfältig gewaschen, aufgehellt und dann geölt. Alles mit einem praktischen 3-teiligen Teak-Pflegeset. Funktioniert toll, das Ergebnis kann sich sehen lassen.

Grössere Baustellen

Und irgendwann war es dann so weit: Die erste Schicht Farbe kam aufs Schiff! Dies in Form von einem Zweikomponenten-Epoxidharz-Primer. Dieser verschliesst als erste Schicht die Oberfläche. Weil er aus zwei Komponenten, der Farbe und einem Härter besteht, wir die Farbschicht pickelhart. So wird das alte Fiberglas von Milagros optimal geschützt. Und so war es dann so weit: Wir kriegten einen ersten Eindruck, wie Milagros mit neuer Farbe aussehen würde. Die weisse Oberfläche blendete förmlich in den Augen. Ein toller Moment.

Heiss, heiss, heiss, heiss

Und was kam nach dem Primer? Ihr dürft 3x raten. Das ganze Schiff wurde wieder mit Spachtelmasse überzogen und geschliffen. Tagelang. Bei bis zu 47 Grad Lufttemperatur. Langsam hatten wir genug von der Hitze. Wir können uns nur vorstellen, wie sich die Malermannschaft gefühlt haben muss. Auch Katze Sailor war am Limit und kam hechelnd angerannt, wenn wir ihn fütterten. Die Hitze in Guaymas ist wirklich verrückt. Zeit, dass wir endlich nach Hause konnten. Konnten wir aber nicht, solange das Deck nicht fertig war.

Lecker Bierchen

Und wie immer in unseren Blogposts darf natürlich das Bier nicht fehlen. Der Besitzer vom Boatyard in Guaymas hat mit seinem Bruder (oder so, weiss auch nicht mehr genau) direkt neben dem Boatyard eine Cervezeria eröffnet. Dort wird Craft-Bier von der Cervezeria Fauna ausgeschenkt. Den Eröffnungsabend durften wir uns natürlich nicht entgehen lassen. Stundenlang sassen wir mit Tom und Keith (die haben wir ja damals im Königreich von El Mero kennengelernt) da und probierten uns einmal quer durch das Angebot. Auch die Mitarbeitenden vom Boatyard waren da, es war eine gemütliche Runde.

Farbschichten und Fensterfreuden

Die Tage darauf vergingen wie zuvor. Morgens am Computer in der Kühle, abends raus in die Hitze zum Schiff. Inzwischen waren weitere Schichten Farbe auf Milagros gekommen. Die Kabine war sogar schon fertig gemalt. Somit konnten wir uns einem weiteren Monster widmen. Wir konnten unsere Fenster wieder einbauen. In einem Moment der Schwäche hatten wir uns ja dazu entschieden, alle Fenster zu demontieren, neu zu kitten und versiegeln. Tönt gut, aber läckdumir. Was für eine riesige Arbeit.

Ein Monster von einem Projekts

Viele Bootsbesitzer scheuen sich vor genau diesem Projekt. Zu Recht. Die Fenstergeschichte verlangte wirklich nach jedem Skill, den wir seit dem Kauf von Milagros gelernt hatten. Allein darüber könnte ich einen kompletten Blogpost schreiben. Hier ein kleiner Auszug aus den Arbeitsschritten:

- Fenster ausbauen

- alles genau unter die Lupe nehmen

- einschätzen was gemacht werden muss

- viel mehr Arbeit finden als eigentlich geplant war

- alles mit Fiberglas und Epoxy abdichten (und verschmieren)

- überschüssiges Fiberglas und Epoxy mühselig wieder entfernen, weil getrocknet

- die Rahmen von einer Ansammlung von altem Füllmaterial, Spachtelmasse und Fugenmaterial aus über 40 Jahren Milagros entfernen

- neue Fensterscheiben machen lassen

- alles 3x machen lassen, bis es passt, weil Mexiko

- sich fragen «warum nur?»

- in einer riesigen Schmiererei die Scheiben in die Fensterrahmen kleben

- in einer riesigen Schmiererei die Scheiben in die Fensterrahmen kleben

- in einer zweiten riesigen Schmiererei die eigepassten Scheiben in den Fensterrahmen in einen weiteren Fensterrahmen kleben UND Schrauben

- vor dem Einbau der Fenster in die Kabinenwand JEDE EINZELNE von an die 100 Schrauben testen und markieren, wo ihr Schraubenloch ist, weil sowieso nichts mehr passt wie vorher

- laut losschreien

- sich die Haare raufen (sofern man noch welche hat)

- in einem Zwischenschritt nicht passende Fensterrahmen mit Spachtelmasse an die Fenster anpassen

- in einer weiteren monströsen Schmiererei die Fensterrahmen in die Kabinenwand einpassen

- merken, dass es zu heiss ist und die Füllmasse zu schnell trocknet

- später wiederkommen

- weiterschmieren

- von der Katze im dümmsten Moment gestört werden

- einfach weitermachen, weil Sailor ein herziger Cheib ist

- weiterschmieren und weiterschrauben bis fertig

In etwa so

So in etwa haben wir das Prozedere in Erinnerung. Wir wollen hier auch gar nicht weiter darauf eingehen. Wir sind nur froh ist es getan. Wehe irgendein Wassertropfen verirrt sich in Zukunft durch die Fenster in unsere Kabine. Irgendwann waren wir fertig und wir hätten es nicht besser machen können. Nicht weil wir überzeugt sind, dass unser Job perfekt ist, sondern weil wir schlichtweg nicht wissen, ob wir es hätten besser machen können. Wenn ihr ein Schiff habt und euch überlegt, ob ihr eure Fenster in Angriff nehmen wollt: Schlaft noch 1-2x drüber.

Milagros im neuen Kleid

Und als unsere Fenster drin waren, waren dann irgendwann auch die Maler so weit: Milagros war fertig gestrichen. Und was können wir sagen? Unser Schiff schaut aus wie neu. Das neue Deck macht einen hundertprozentigen Unterschied. David und Paul haben echt ganze Arbeit geleistet. Leider gesellten sich auch noch schlechte Neuigkeiten zu der ganzen Freude. Unser neuer Propellerschaft passt nicht.

Wir können diesen zwei Jungs gar nicht genug danken!

So ein Mist!

Als Salomon mit dem Objekt der Begierde beim Boatyard und unserem Schiff ankam war schnell klar. Da gab es ein Problem. Das Wellenlager wie auch die neuen Wellenbremse passten nämlich nicht über den Schaft. Da konnte nur eines helfen: Der Schaft musste zurück in die Werkstatt und passend gemacht werden. Nur blöd, dass kurz darauf die Meldung kam, dass eine ganz neue Welle bestellt werden musste. Ein Arbeiter hatte in der Werkstatt schlichtweg zu viel Material vom Schaft entfernt (2/1000 Inch anstatt 1/1000 Inch!!!). Und dies, nachdem wir wochenlang gewartet hatten. Ach Mexiko, manchmal bist du doch ein wenig zu viel des Guten. Nun können wir uns im Winter bei unserer Rückkehr nochmal um den Schaft kümmern.

Aus dem Ruder gelaufen

Langsam begann auch die lange Saison wieder an unserer Moral zu nagen. Zu viel Hitze, zu viel Wartezeit, zu viel Boatyard. Normalerweise verbringen Segler anfangs Saison ein paar Wochen mit den Vorbereitungen am Schiff, um bei der Rückkehr so schnell wie möglich zu verschwinden. Diese Saison verbrachten wir gefühlt nur mit Arbeiten am Schiff. Ja, das Schiff ist besser im Schuss denn je – aber wir haben schon einige Male gehört, dass unser Arbeits-Segelzeit-Verhältnis völlig aus dem Ruder sei. Ja, diese Saison war nicht einfach. Unser schweizerischer Perfektionismus lässt aber es aber schlichtweg nicht anders zu. Immerhin werden wir nächste Saison auf einem absoluten Schmuckstück unterwegs sein. Langsam war es aber Zeit, Milagros zu verstauen und wieder mal Pause zu machen.

Mexikanische Fete

Bevor wir aber nach Hause flogen, stand noch einmal ein Fest an. Und dieses Mal wurde es so richtig mexikanisch. Wir waren nämlich an die Geburtstagsfete von Boatyard-Mitarbeiter und Kranführer Mario eingeladen. Diese fand kurz vor unserer Abreise statt. Man fand sich in einer Eventhalle ein. Wir zwei, unsere australischen Freunde Jen und Cam und etwa 50 Mexikaner. Das Fest begann verhalten. Alle sassen an ihren Tischen und lauschten der Aufwärmband, einer Rock-Coverband aus Marios Freunden. Bewaffnet mit Kühltruhen und Biervorräten natürlich. Wir Weisshäute wurden von allen Seiten neugierig beäugt.

Baila, Baila, Baila

Erst als Cumbia, klassische mexikanische Musik, aufgelegt wurde ging es so richtig los. Alle sprangen aus ihren Sesseln und tanzten und tanzten und tanzten. Auch die «Gringos» waren zu aller Überraschung mit von der Partie. Den «DJ» machten zwei Jungs, die an zwei Drumsets mit allerlei Pauken und Trommeln zur Musik ab Band mitspielten. Mit steigendem Bierkonsum schwanden auch die Berührungsängste und so machten wir allerlei lustige Fotos mit den anwesenden Gästen. Der Abend war einmal mehr eine Erinnerung daran, was die Mexikaner für ein grossartiges Volk sind. Muchas Gracias!

Eine Kranfahrt mit Folgen

Dann war es bald mal Zeit, Milagros an ihren Standplatz für den Sommer zu verschieben. Das Umstellen verlief allerdings nicht ohne Schäden an Milagros. Ich erspare euch die Details vorerst – wir haben im letzten Blogpost ja schon vom Umgang mit uns berichtet. Es sollte nicht besser werden. Und es wird auch in Zukunft nicht besser werden. Ich kann nur so viel sagen: Wir sind definitiv das erste und letzte Mal in diesem Boatyard gewesen. Trotz Vorwarnungen von diversen Seiten haben wir uns für einen Besuch entschieden – und sind gekonnt in die Sche**** getreten. Selbst schuld. Dazu ein andermal mehr.

Das Ende naht

Weil die Arbeiten unserem Deck (habe ich schon bemerkt, dass es wie neu geworden ist?) sich ein paar Wochen länger hingezogen haben als erwartet, mussten wir alle Vorbereitungsarbeiten für die Abreise, die sich letztes Mal über etwa zwei Wochen gezogen haben, in ein paar Tage packen. Es wurde ein Riesenstress und wir haben am Abend vor der Abreise von 5 Uhr morgens bis um 22 Uhr in der Nacht durchgearbeitet, um überhaupt fertig zu werden. Die Rückreise verlief problemlos und so konnten wir schon bald der kühlen Schweiz wieder Hallo sagen. Zeit, den Kopf zu verlüften und wieder Vorfreude für die Rückkehr zu sammeln.

Schlechte Neuigkeiten bei der Ankunft

Kaum daheim angekommen, mussten wir uns aber bereits wieder Sorgen machen. Facebook und WhatsApp sind unsere wichtigsten Quellen für alle News aus Mexiko, die sich ums Segeln drehen. Und was sahen wir da? Kaum sind wir abgereist zog ein beeindruckender und wüster Sturm über Guaymas und San Carlos. Die Gegend ist bekannt für wütende Sommergewitter, sogenannte Chubascos. Aber dieses Mal war es anders. Auf Videos und Fotos sahen wir eine Wand von Wind und Staub, die die Region heimsuchte. Es wurden überall absurde Windgeschwindigkeiten gemessen, der Strom fiel aus, im Boatyard stürzten ganze Wände ein und weitere Elektromasten segneten das zeitliche und fielen um.

Und was war mit Milagros?

Milagros ist glücklicherweise ohne Schäden davongekommen, sie hat den Sturm gut überstanden. Leider erhielten wir schlechte Neuigkeiten von anderen Seglern. Das Königreich von El Mero beispielweise ist nicht mehr. Es wurde im Sturm komplett zerstört. Auch wurden dabei leider die Schiffe von Freunden in Mitleidenschaft gezogen, als ihre Dockleinen versagten und sie ans Ufer gespült wurden. Anderswo sind Schiffe auf dem Trockendock von ihren Stelzen gekippt. Wir hoffen für deren Besitzer, dass die Schäden nicht zu gross sind.

Wie geht’s weiter?

Tja, anscheinend bleiben wir auch am anderen Ende vor Schrecksekunden nicht verschont. So ist das nun mal, wenn man sich auf ein Abenteuer wie unsere begibt. Weshalb wir uns in diesem Fall mehr Sorgen machten als die letzten Male, erzählen wir im nächsten Blogbeitrag. Nun gilt es aber, in der Schweiz die Segelbatterien wieder aufzuladen, damit wir mit frischer Motivation nochmal einen Anlauf in Richtung Süden starten. Wie weit wir kommen werden, wissen nur die Götter der See. Dinge passieren nun mal.

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1 Comment

The boat looks great! Hopefully the PTSD of it all has worn off and your time in Switzerland is renewing you both! So sorry to hear about our friends at El Mero and the demise of the docks. But, very to happy to know Milagros was not affected. All the best to you both.

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