Unsere ersten 500 Seemeilen südlich in Richtung Magdalena Bay

Wir wollten endlich mit Milagros in See stechen! Kaum hatte ich meinen Binnenfahrtschein auf dem Thunersee im Gepäck, ging es los auf einen ersten Offshore-Segeltörn von über 500 Seemeilen. Say whaaat? Es ging gen Süden in Richtung Magdalena Bay (Mag Bay) und wir würden tagelang kein Land mehr sehen. Es sollte ein Erlebnis der ganz besonderen Art werden.

Ich habe sicher schon hunderte Erfahrungsberichte anderer Segler gelesen und gesehen. Sie erzählen davon wie es ist, wenn man auf seinem Schiff tagelang fernab jeglicher Zivilisation unterwegs ist. Nun sollte ich diese Erfahrung endlich selber machen können. Was auf den Kapverden zum Traum wurde sollte nun endlich Wirklichkeit werden. Konnte es nun endlich losgehen?

Mexikanischer Papierkrieg

Denkste! Wir wurden erneut zwei weitere Tage aufgehalten. Dieses Mal waren es fehlende Papiere. Als wir uns beim Hafenmeister abmelden wollten, bemerkte dieser, dass die Dokumente des Imports unseres Schiffs nicht komplett waren. Was nun? Wir traten mit dem Büro der Marina in Kontakt, wo uns zuerst Hilfe angeboten wurde.

Better Call Saul

Als die Situation plötzlich doch komplizierter wurde als gedacht, drückten sie uns den Flyer eines Agenten in die Hand. Wir kontaktierten diesen und er konnte uns tatsächlich helfen. Für die Unsumme von ein paar hundert Dollar würde er uns die notwendigen Papiere besorgen – quasi über Nacht. Mangels Alternativen stimmten wir dem Angebot zu.

Milagros will endlich los

Milagros war schon seit Tagen bereit für die Fahrt zur Magdalena Bay. Gleich nachdem wir dem Agenten sein horrendes Honorar abgedrückt hatten und die Papiere sicher verstaut waren, ging es los. Danke und Tschüss! Wir verabschiedeten uns von all den tollen Leuten und neuen segelnden Freunden in der Marina. Leider mussten wir auch Pati zurücklassen, das tat besonders weh.

Während der ganzen Fahrt sagte Windy guten Nordwestwind voraus, der uns die Westküste der Peninsula Baja California hinuntertragen sollte. Leinen los, nochmals allen winken und los ging die Fahrt.

Unter Motor in Richtung Bahia Magdalena

Wir verliessen das Hafenbecken von Ensenada und starteten den Trip unter Motor. Sollten wir die offene See erreichen, würde der Wind auffrischen und wir könnten die Segel setzen. Aber nix da. Je weiter wir uns von der Küste entfernten, desto ruhiger wurde die See. Wir pflügten durch einen Spiegel, kein Lüftchen war zu spüren. Das Ganze hatte trotzdem seinen Reiz. Denn als es Abend wurde glänzte die glatte See in allen Pastelltönen, die man sich vorstellen konnte. Kleine Seevögel waren in Gruppen unterwegs und tauchten vor Milagros weg.

Sonnenuntergang auf dem Weg zur Magdalena Bay

Endlich segeln!

Nach 21 Stunden unter Motor frischte endlich der Wind auf. Wir konnten volle Segel setzen und nahmen Fahrt auf. Magdalena Bay wir kommen! Sofort glänzte unsere Kelly Peterson 44 mit ihren vielgerühmten Segeleigenschaften. Gemächlich schob sie sich mit 5 Knoten (ca. 9km/h) Fahrt vorwärts. Dem Wellengang von etwa einem halben Meter trotzte unser Schiff mit angenehmem Schaukeln. So segelten wir zielstrebig auf räumlichem Kurs (mit dem Wind im Rücken) gen Süden.

Nachtschicht

Meine Schicht auf der Wache war von 20:00 bis 01:00 Uhr. Danach war zuerst Iñaki, dann Carmen bis 08:00 Uhr morgens an der Reihe. Meine Schichten waren relativ ereignisarm. Sie waren geprägt davon, unseren südlichen Kurs zu kontrollieren und korrigieren.

Dazu musste ich das Umfeld im Blick haben, da wir während den ersten Tagen relativ nahe an einer Schifffahrtsroute entlang segelten. So begegneten wir auch immer wieder grossen Transportschiffen. Iñaki stand uns zu jeder Tages- und Nachtzeit mit Rat und Tat zur Seite. Es ist echt ein Privileg, jemanden mit seiner Erfahrung auf unserer Reise dabei zu haben.

Immer weiter Richtung Bahia Magdalena

Die Zeit mit Tageslicht verbrachten wir mit gutem Essen, Musik, Lesen, Podcasts und zocken auf der Nintendo Switch. Auch einen Fisch konnten wir an Land bzw. aufs Schiff ziehen. Leider war er nur klein und unglücklich in den Kiemen gehakt. So wurde er schweren Herzens trotzdem verarbeitet. Sorry Fisch…

David fängt seinen ersten Fisch auf Milagros

Tierische Begleitung

Während unsere Hoffnung auf Delfine leider nicht erfüllt wurde, hatten wir trotzdem allerlei tierischen Besuch. Es war faszinierend zu beobachten, wie das Leben auch über 100 Meilen fern jeglicher Küste bebt. Seevögel aller Art waren unterwegs und begleiteten das Schiff. Einer der Besucher versuchte mehrmals, sich auf der Spitze des Masts nieder zu lassen. Allerdings ohne Erfolg. Meeresschildkröten waren auf Wanderschaft im teilweise über vier Kilometer tiefen Wasser. Auch unsere Zielbucht Magdalena Bay soll ein ähnliches Tierparadies sein. Im November bringen Grauwale dort ihren Jungen zur Welt. Wir sind ein bisschen früh dran, aber wer weiss, vielleicht haben wir Glück?

Iñaki hat tatsächlich Glück

Fliegende Fische stoben immer wieder davon, aufgeschreckt durch den Schiffsrumpf. Iñaki hätte fast einen der Flieger ins Gesicht bekommen. Glücklicherweise knallte der Fisch nur in den Dodger (dem schützenden Aufbau vor dem Cockpit) und landete zappelnd an Deck. Von dort konnten wir ihn (hoffentlich) unversehrt wieder ins grosse Blau entlassen. Zur falschen Zeit am falschen Ort losgeflogen, könnte man sagen.

Aussicht von Milagros' Bug

Plötzlich Vollgas – wir lernen Milagros kennen

Da wir das Schiff noch nicht kannten, wählten wir konservative Segeltechniken und versuchten, in gemächlichem Tempo vorwärts zu kommen. Zweieinhalb Tage vor unserer Ankunft frischte wie erwartet der Wind auf. Wir mussten schnell sein, um zu reffen (make the sail area smaller) so that we gave the wind less sail area to attack and had a more pleasant ride towards Magdalena Bay. For a long time, we were out with a double reefed mainsail and a triple reefed foresail. The wind got stronger and Milagros now showed what she was made of.

Milagros das Langfahrten-Monster

Trotz der kleinen Segelfläche schoss sie mit konstanten 6-7 Knoten (ca. 11 – 13 km/h) in Richtung Ziel. Unwohlsein kam trotzdem nie auf, im Gegenteil. Wir fanden schlicht heraus, dass sie sich in diesem Geschwindigkeitsbereich wohl fühlte und diesen konstant anstrebte. Einmal dort angekommen, fuhr sie wie auf Schienen. Ihre starke Luvgierigkeit (Milagros will konstant den Bug in den Wind drehen) konnten wir mit einem gut eingestellten Windpiloten und ein wenig Gegensteuer bei blockiertem Steuerrad kompensieren. So wurde das Schiff zielstrebig in Richtung Bahia Magdalena gesteuert, ohne dass wir jemals gross hätten eingreifen müssen. Kein Wunder werden die Kelly Peterson 44 von ihren Besitzern so innig geliebt.

Der heimliche Star – unser Autopilot

Der heimliche Star der Fahrt war unser Windpilot. Die "Hydrovane" (von uns mit dem Kosenamen "Heidry" versehen), steuert das Schiff selbstständig und nur mit Windkraft. Die rote Windfahne bedient ein kleines Ruder am unteren Ende der Einrichtung und korrigiert so den Kurs des Schiffs. Je nachdem von welcher Seite die Windfahne angeströmt wird, schlägt das Ruder aus und so kann der Kurs des Schiffs an den Wind angepasst werden, und es folgt diesem konsequent. Somit haben wir einen Autopiloten an Bord, der mit Gratisstrom betrieben wird. Als Backup für Windstille oder Leichtwind dient ein kleiner Pinnen-Autopilot der, von einem Elektromotor angetrieben, über eine Steuerstange das Ruder von "Heidry" bedient und so den Kurs halten kann. Dieser muss allerdings ans Bordnetz angeschlossen werden.

Die Hydrovane, die mechanische Deckhand
"Heidry" in Aktion

Wir verlieren Wasser

Während einer meiner Nachtschichten checkte ich routinemässig die Bilge im Motorenraum. Dort befindet sich der tiefste Punkt des Schiffs. Was ich vorfand war nicht gut. Die Bilge war mit öligem Wasser gefüllt. Nachdem ich dieses mit der Bilgenpumpe über Bord gepumpt hatte, checkte ich natürlich als erstes unsere rostigen Wassertanks. Meine Befürchtung bewahrheitete sich leider. Über die durchgerosteten Schweissnähte lief das Wasser direkt in die Bilge aus. Wir hätten die Tanks leeren sollen am Ende unseres ersten Besuchs von Milagros im Dezember 2019. Sie hatten nun fast ein Jahr mit dem salzigen "Süsswasser" der Cruiseport Marina vor sich hin rosten können und lecken mehr denn je. Das Ersetzen der Wassertanks wird ein weiteres Projekt sein, das wir in Puerto Peñasco in Angriff werden nehmen müssen.

Magdalena Bay kommt immer näher

Die Tage vergingen, und von einem konstanten Wind getrieben kam Magdalena Bay immer näher. Die Fahrt war lang und wir wurden immer müder. Der Wellengang hatte inzwischen eine unangenehme Richtung gegenüber unserem Kurs über Grund von zwischen 130° und 140°. Das beeinflusste das Leben an Bord und vor allem die Ruhephasen. Es war langsam Zeit, anzukommen.

Planänderung

Einen Tag vor Ankunft machten wir unseren Plan zur Einfahrt in die Magdalena Bay. Allerdings machten uns Wind und Strömung zur geplanten Ankunftszeit einen Strich durch die Rechnung. Diese hätten an der Passage in die Bucht genau gegeneinander gewirkt. Dies kann zu fiesem Wellengang führen. In den Gebietsführern stand, dass deshalb jedes Jahr Yachten in der Einfahrt auf Grund laufen. Da wir sowieso schon müde genug waren, entschieden wir uns in der naheliegenden Bahia Santa Maria vor Anker zu gehen. Sicher ist sicher. Dort waren die Einfahrt und das Ankern auch zu unserer mitternächtlichen Ankunftszeit relativ easy. Kaum waren wir sicher, dass der Anker fix festsass, liessen wir alles stehen und liegen und sanken in unseren Kojen nieder.

Feierabendbier

Diese Schlafpause hatten wir uns nach diesem Trip mehr als verdient. Das erste unglaubliche Abenteuer hatte ein Ende. Über 500 Seemeilen in viereinhalb Tagen non-stop. Was für ein Erlebnis. Während Carmen und Iñaki schon schliefen, liess ich im Mondlicht die Fahrt bei einem Bier Revue passieren und genoss einfach nur den Moment. Unser Empfangskomitee in Form eines Pelikans leistete mir Gesellschaft.

Und die Reise nach Puerto Peñasco hatte erst gerade begonnen.

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6 Comments

Bravo pour cette première étape réussie !
Passer du stade “marin d’eau douce – Lac de Thun” au stade de “marin au long cours” c’est un peu comme passer du stade “sauteur à la perche” au stade “astronaute”.
Bon vent les marins !
Quand et où retrouverez-vous Pati et les autres ?
JPC

Hey JP, j’espère que tu vas bien! Je reviendrai à Bâle fin novembre. Pati et moi resterons en Suisse jusqu’en janvier avant de retourner au bateau et travaillerons dessus pendant environ six mois. Carmen et Iñaki resteront au Mexique. Salutations de la Marina La Paz de tout le monde!

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