Schlaflose Nächte vor Anker

Zwischen Vorwärtsbewegen, Entspannen und Geniessen widmen wir uns regelmässig dem einen oder anderen Bootsprojekt. Und wir lernen immer wieder neue Leute kennen oder treffen unterwegs irgendwo Cabralianer an. Und zwischendurch verlieren wir auch mal den Glauben an die Menschheit oder haben schlaflose Nächte vor Anker.

Bevor wir aus San Evaristo davon segelten, hatte David noch eine Mission. Mit der Zeit kennt man jedes noch so kleine Geräusch, das das Schiff unterwegs oder vor Anker macht. Auf dem Weg nach San Evaristo hatte sich im Kanal San José plötzlich ein neues Geräusch beim Propeller bemerkbar gemacht. Es hörte sich ein bisschen schabend und quietschend an. Im schlimmsten Fall war die neue Wellendichtung bereits durch, und im besten Fall war nichts. Also zwängte sich David in meinen Tauchanzug und sprang mit Schnorchel und Taucherbrille bewaffnet ins knapp 20°C kalte Wasser. Die visuelle Inspektion bestätigte unsere Befürchtungen zum Glück nicht: Alles war so weit in Ordnung.

Es quietscht

Es gab auch noch ein zweites Geräusch, das wir bei Wellen von vorne entdeckten. Es kam irgendwo vom Mast her. Nach einigen Beobachtungen stellten wir fest, dass unser Mast im oberen Drittel „pumpte“, wenn sich der Bug hob und senkte. Man kann sich das so vorstellen, wie wenn man einen Zweig auf den Tisch stellt und oben Gewicht draufgibt. Dann biegt sich der Zweig irgendwo in der Mitte etwas. Und das war natürlich nicht gut, dass sich der Mast so bewegte. Kombiniert mit diesem quietschenden Geräusch wurde es fast unerträglich. Denn jedes Mal, wenn es quietschte, wussten wir, dass der Mast pumpte. Was aber genau dieses Geräusch verursachte und ob es einfach zufällig immer gemeinsam mit dem Pumpen auftrat, konnten wir nicht rausfinden.

Wir ziehen das Rigging an

Wir holten also Information darüber ein, was das Pumpen des Masts verursachte. Ein zu loses Rigging war die Antwort. Das machte in unseren Augen Sinn, denn wir wussten, dass sich die neuen Stahlseile noch etwas stretchen würden. Wir zogen deshalb das Rigging überall noch etwas an, doch nur das Pumpen wurde besser – das Quietschen verschwand nicht. Aber als der Schwell (Wellen, die über lange Distanzen wandern) sich auflöste, hörte das Quietschen auf und es entschwand wieder aus unseren Köpfen.

Am Traumstrand

Mit dem nächsten guten Wetterfenster machten wir uns auf zu der 2 Stunden entfernten Traumbucht schlechthin: die Isla San Francisco. Die riesige Bucht bietet Platz für zahllose Schiffe und ist mit ihrem sandigen Grund ein einfacher Ankerort. Türkisgrünes Wasser, weisser Sandstrand und rote Felsenformationen waren unsere Kulisse für die nächsten Tage. Die Ankerbucht ist ein beliebtes Ausflugsziel, vor allem an den Wochenenden, deshalb ist es da leider manchmal nicht so idyllisch, wie es sein könnte. Auch diesmal waren ein paar Motorboote mit der blauen LED-Unterwasserbeleuchtung und Partyzelt am Strand da. Es ist halt einfach schön da.

Isla San Francisco.

Beine vertreten

Wir nutzen die Gelegenheit, um uns die Beine etwas zu vertreten und wanderten über den Hügelkamm der Bucht entlang. Uns bot sich ein wunderbarer Ausblick über die Sea of Cortez. In Richtung Osten konnten wir die steinigen Klippen hinunter auf das raue Meer schauen. Auf der anderen Seite sahen wir die grosszügige Bucht mit dem perfekten Strand und dem kargen Wüstenbewuchs. David fischte uns auch gleich noch ein leckeres Abendessen.

Deutsche Bekanntschaft

Leider war das Wasser immer noch zu kalt, um gemütlich baden und schnorcheln zu gehen. Auch die Sicht war noch nicht so, wie wir uns das vorgestellt hatten. Aber die Zeit dafür wird noch früh genug kommen. An einem der Boote vor Anker wehte am Heck eine deutsche Flagge. Da mussten wir natürlich vorbei und Hallo sagen. Jost aus der Nähe von Köln war auf seiner "Serenity" mit seiner Nichte unterwegs Richtung La Paz. Und er lud uns direkt zu einem Sundowner auf sein Schiff ein. Wir müssen uns unbedingt auch eine Nationalflagge – oder immerhin unsere Kantonsflaggen – besorgen, damit wir uns zu erkennen geben können. Im Moment sind wir eher inkognito unterwegs: kein Heimathafen und wir fliegen nur die mexikanische Gastlandflagge.

Bahia Falsa

Da wir für meinen Geburtstag in La Paz sein wollten, blieben wir nur zwei Nächte in bei der Isla San Francisco und sagten dann „San Fran Tschüssko“ (budum-tsch). Andere Cabralianer hatten uns als Ankerort die Bahia Falsa rund 8 Seemeilen vor dem Stadtzentrum von La Paz empfohlen. Dort hatte man Handyempfang und konnte bequem mit dem Taxi in die Stadt. Als wir nach 8 Stunden segeln um die Ecke in die Ankerbucht bogen, geschah wieder ein Milagros-Klassiker. Sätze wie „Es ist viel zu voll und hat keinen Platz für uns.“ oder „Wir dürfen auf keinen Fall zu nahe an diesem Schiff ankern, ein Schaden käme viel zu teuer.“ waren zu hören.

Es ist ok

Doch wir überwanden uns erneut und ankerten hinter allen Schiffen. Und wieder zeigte sich danach, dass wir mehr als genügend Platz um uns herumhatten. Unsere Augen brauchen halt noch etwas Training. Mit unseren Bekannten von der „Freyja“ trafen wir uns abends in der Strandbar und gönnten uns ein kühles Blondes und mittelmässige Tacos.

Arbeit auf Milagros

Wir widmeten uns hier erneut unserem Rigging, denn wir waren noch nicht ganz zufrieden mit dem Mast. Wir spannten das Vorstag noch etwas mehr und nun scheint das Pumpen der Vergangenheit anzugehören. Wir widmeten uns endlich auch unserem Wassermacher und ersetzten die alte Membran. Doch auch nach diesem Service waren wir noch nicht zufrieden mit dem Output und der Wasserqualität. Aber wir würden dann in La Paz mal mit den „Watermaker Guys“ sprechen.

Es quietscht immer noch

Im Verlauf der Woche war immer mal wieder Westwind angesagt und unsere Ankerbucht war gegen alles geschützt, ausser natürlich vor genau diesem Wind. Das führte dazu, dass Schwell unser Boot auf und ab wippen liess. Und ja, wie weiter oben erwähnt, verursachten eben solche Wellen das Quietschen am Mast. Und wie das auch immer so ist, die Wellen haben wir natürlich nicht tagsüber, wenn ein bisschen Quietschen nicht so schlimm ist. Nein, natürlich begann dieser Wind jeweils abends, wenn wir schlafen wollten. Und mit diesem Quietschen lässt es sich nicht entspannt schlafen, das kann ich dir sagen. Es ging durch Mark und Bein und war im ganzen Schiff zu hören.

Es ist zum Verzweifeln

Es war zum Haare raufen. Aber wir fanden einfach nicht heraus, was genau dieses Geräusch verursachte. Wir hatten ja bereits die die Spannung im Rigging optimiert und das Pumpen des Masts war weg, aber das Quietschen nicht. Da blieb nur eines übrig: David musste den Mast hoch. Bewaffnet mit Schmieröl sollte er alles was dort oben beweglich ist schmieren. Und dort fand er dann endlich den Schuldigen. Ein #@ç%3 Spinnaker Block, der noch keine Leine dran hatte, baumelte quietschend vor sich hin. Und das Geräusch wurde durch den Hohlkörper Mast verstärkt. David nahm diese Störer mit runter – nun können wir endlich wieder ruhig schlafen!

Taxi in die Stadt

Es hiess ja, dass man von der Bahia Falsa aus ganz einfach ein Uber bestellen konnte. Wir mussten mal wieder einkaufen gehen, also paddelten wir an Land, vertäuten das Kajak an einem parkierten Panga und öffneten die Uber App. Doch weit und breit war kein verfügbarer Fahrer zu sehen. Tja, Pech gehabt, dachten wir. Als ein Sombrero-Verkäufer an uns vorbei ging, fragten wir ihn einfach mal auf gut Glück, ob er einen Taxifahrer kennt. Er zückte sein Handy und rief seinen Hermano "Turbo" an. Keine 15 Minuten später sassen wir in dessen Taxi Richtung La Paz. Gelohnt hat es sich aber nicht wirklich, denn das Taxi hin und zurück kostete 25 Franken, was für 2 Mal 20 Minuten Fahrt hier in Mexiko doch ganz schön viel ist.

Schweizer Taxifahrer?

Drei Schiffe, die wir in Peñasco kennengelernt hatten, waren gerade in La Paz vor Anker. Kurzerhand verabredeten wir uns mit ihnen (also den Besitzern der Schiffe) tags darauf zu Tacos in der Stadt. Es würden mit den Taxikosten ganz schön teure Tacos werden, aber man gönnt sich sonst nix. Und nein, das mit dem Einkaufen zu kombinieren wäre sicher nicht möglich gewesen *hüstl*. Immerhin hatten wir schon Turbos Nummer und bestellten bei ihm eine Fahrt in die Stadt. Als wir wieder in sein Taxi stiegen, mussten wir in aus Neugier fragen, ob er etwas Schweizer Blut hat. Denn er war auf die Minute pünktlich da – das sind wir irgendwie nicht mehr gewohnt.

Sicherer Strand

Nach dem lustigen Peñasco-Treffen fanden wir zum Glück auf Anhieb wieder ein Taxi zurück, denn Turbo machte um sieben Feierabend. Die Befürchtung, jemand könnte in der Zwischenzeit unser Kajak gestohlen haben, verflüchtigten sich sofort, als wir zum Strand gingen und gleich vom Nachtwächter gestoppt wurden. Für künftige abendliche Ausflüge in die Stadt war es gut zu wissen, dass da jemand war und aufpasste.

Ein Schnorchelausflug

Jost tauchte auch in der Bahia Falsa auf und lud uns spontan auf einen Schnorchelausflug ein. Es traf sich gut, dass er genau an meinem Geburtstag (mein zweiter hier in Mexiko) geplant war. Ich fand das ein ausgesprochen passendes Programm. Das geplante Geburtstagessen im El Toro Güero verschoben wir kurzerhand auf den folgenden Tag. Überhaupt beschloss ich, dass ich ja auch eine Geburtstagswoche feiern konnte.

Geburtstags-Tag

Um 6 Uhr früh (an meinem Geburtstag!) holte uns Jost mit seinem Dinghy ab. Milagros würden wir für den Tag allein vor Anker lassen und auf Josts 42 Fuss Sun Odyssey mitsegeln. Unser Ziel war ein rund 60 km entfernter Stein an der Nordspitze der Jacques Cousteau Insel, der ein tolles Schnorchelerlebnis bieten sollte. Ausserdem bestand die Möglichkeit einer Orka-Sichtung, deshalb kam ein Tauchlehrer namens David zusätzlich auch noch mit. Kurz vor Mittag ankerten vor diesem Stein. Schon bei der Anfahrt sahen wir mehrere Pangas, die dort rund um den Stein am Fischen waren und uns schwante nichts Gutes. Doch bevor wir ins Tauchzeug stiegen, bereiteten wir einen unterwegs gefangenen Fisch für das Mittagessen vor.

Dave und Jost kümmern sich um den Fisch

Es war einmal…

Leider bewahrheiteten sich unsere Befürchtungen. Die Steinformation musste einmal ein schönes Schnorchelerlebnis gewesen sein. Doch davon war leider nicht mehr viel übrig. Hier und da waren dennoch zum Beispiel kleine blau-leuchtende Fische oder die üblichen nicht-essbaren Verdächtigen zu sehen. Und auch einige Angelköder. Wir können uns vermutlich mental darauf einstellen, dass wir sowas noch öfters antreffen werden. Die Menschheit kennt kein Pardon. Das ist ziemlich deprimierend.

Wir machen das Beste daraus

Drei Seelöwen beobachteten uns aus der Ferne, doch Orcas, Delfine oder Wale tauchten keine auf. Die Sicht war auch mittelmässig. Doch das war nicht weiter schlimm, denn das ganze Mikrogetier im Wasser ist der Grund, weshalb die Sea of Cortez eine so grosse Artenvielfalt besitzt oder besass. Auf dem Rückweg checkten wir noch ein paar andere mögliche Schnorchelplätze aus, doch leider wurde die Sicht immer schlechter. So genossen wir halt das Segeln. Immerhin zeigte sich uns ein Buckelwal ganz kurz. Mit einem Bier stiessen wir auf dem gemütlichen Tag an und genossen das Segeln in den Sonnenuntergang. Das Tauchen war nicht so, wie wir es uns vorgestellt hatten, aber der Ausflug hat sich dennoch gelohnt.

Ein schöner Abend

Am Tag 2 meiner Geburtstagswoche holte ich das Ausschlafen mit anschliessendem Kaffee und Pancakes am Bett nach. Abends trafen wir uns mit Nick und Janine von SV Rua Hatu, unseren ehemaligen Nachbarn und Leidensgenossen auf dem Cabrales Boatyard. Wir freuten uns sehr, sie wiederzusehen! Und der gegrillte Oktopus, wie auch die Molcajete (Ceviche im Steingefäss), im Toro Güero schmeckten hervorragend. Die erneute Fahrt in die Stadt hatte sich auf jeden Fall gelohnt. Das war ein gelungener Auftakt meiner Geburstagswoche – so kann es weitergehen.

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