Wir finden eine gute Lösung für die nächsten Schritte in unserem Hüllenprojekt. Damit einher kommen ein paar Tage Freizeit in Puerto Peñasco, die uns um die eine oder andere Erfahrung reicher machen. Danach gehen wir mit der Entfernung des Ruders in die nächste Runde.

Bevor wir eine Lösung für unser Antifouling-Schleifproblem suchen konnten, mussten wir erst eine andere Frage beantworten: Schleifen wir nur das Antifouling ab oder gehen wir "All in" und schleifen bis auf das nackte Fiberglas? Während erstere Option schneller und günstiger ist, ist sie dementsprechend auch weniger langfristig gedacht. Wenn das Schiff weitere 40 Jahre leben soll, dann ist Zweitere sicher die bessere. Der schlechte Zustand des Farbaufbaus sowie die vielen kleinen Osmosebläschen führten dazu, dass wir uns schlussendlich für das Schleifen bis aufs Fiberglas entschieden. Ausserdem wollten wir wissen, wie der Zustand der Hülle darunter wirklich ist, was diesen Entscheid bestärkte. Neugierde geht vor!
Soll es Sandstrahlen sein?
Mit diesem Entscheid sind wir über die Bücher und haben 3 mögliche Schleif-Optionen nach Dauer, Kosten, Vorteilen und Nachteilen bewertet: Selber weiter schleifen, lokale Arbeiter für die Schleifarbeit anheuern und Sandstrahlen. Der klare Gewinner war das Sandstrahlen. Es war Donnerstag und wir fragten mal unverbindlich bei Chef Salvador an, wenn dann der nächst mögliche Sandstrahltermin wäre. „Am Montag“ erhielten wir als Antwort. Also gut, wir packten die Chance am Kragen und bestellten einmal Sandstrahlen mit Alles.
Die Vorbereitungen laufen
Wir hatten nun 3 Tage Zeit, um das Boot darauf vorzubereiten. Einerseits mussten wir alle Stellen markieren, an denen wir Osmosebläschen vermuteten, damit sie auch nach dem Sandstrahlen noch erkennbar waren. Das bedeutete, dass Dave nicht darum herumkam, das restliche Antifouling leicht anzuschleifen, um alle Erhebungen sichtbar zu machen und diese danach anzubohren. Andererseits musste das Schiff sandsturm-dicht gemacht werden. Wir wollten ja schliesslich nicht die nächsten Monate auch noch im Innenraum des Schiffs in einer Wüste leben. Mitten in den Vorbereitungen erhielten wir die Nachricht, dass die Arbeit am Schiff doch erst am Dienstag starten könne – der Platzchef hatte noch bemerkt, dass der Montag ein Feiertag war.

Eine Zwischenunterkunft
Wo wir während dem Sandstrahlen wohnen würden – an Bord ging ja nicht – entschieden wir erst, nachdem wir Milagros zuerst mit dem kleinen, dann mit dem grossen Transportlift zum Spa-Bereich auf der anderen Strassenseite begleitet hatten. Spontan buchte ich das günstigste Hotel, das ich finden konnte, mal für eine Nacht. Wenn es uns nämlich nicht passen würde, könnten wir dann easy das Hotel wechseln. Eine Stunde später strampelten wir mit unseren Velos und ohne grosse Erwartungen die 350m zum Pearl Point Hotel.
Gut und günstig
Uns erwartete ein kleines Motel in einer Seitenstrasse der Calle 13, der Partymeile von Puerto Peñasco, mit einem jungen Herrn an der Rezeption, der gut Englisch sprach. Das Zimmer im Erdgeschoss mit der Nummer 5 war unseres. Klein und simpel. Der Plastikanzug der Matratze unter dem Leintuch und nur eine grosse Decke für 2 Leute (wir brachen je eine, um nächtlichen Kämpfen vorzubeugen) irritierten erst, aber es war ja nur für eine Nacht.
Ferien in Puerto Peñasco
Während unsere Milly ein Peeling bekam, gingen wir also in die Zwangsferien. Nicht, dass wir sie nach 3 Wochen bereits nötig gehabt hätten, aber schlecht war es auch nicht. Dass es aber ganze 3 Nächte werden würden, wussten wir im Vornherein nicht. Nun gut. Viele Amerikaner aus dem grenznahen Arizona kommen hierher in die Ferien oder um das Wochenende zu verbringen. Puerto Peñasco wird auch „der Strand von Arizona“ genannt und ist quasi wie Malle oder Ibiza für uns Schweizer. Entsprechend ist auch das Angebot: Vergnügungsmeile (Malécon), Bars, Stripclubs und „lokale“ Restaurants. Wer uns kennt weiss, dass wir solche Viertel und Orte normalerweise eher meiden. Da aufgrund von Corona aber momentan kaum Touristen hier sind, ist es ganz erträglich.
Das Touri-Programm
Wir wussten erst gar nicht so recht, was wir nun mit dieser bootsfreien Zeit anstellen sollten. Zum Baden im Meer war es zu kalt und eine Quad-Bike mieten, um die Stadt zu erkunden, wollten wir auch nicht. So schlenderten wir dem Malécon entlang, tranken guten Kaffee to go von den Old Port Coffee Roasters, spazierten am fast menschenleeren Strand und testeten ein paar Restaurants. Obwohl das Sandstrahlen schnell vorwärts ging, dauerte trotzdem alles seine Zeit. Und da wir bis aufs nackte Fiberglas runter wollten, halt noch etwas länger. So verlängerten wir das Hotel um eine Nacht.
Hey Suizas!
Wir waren gerade mit einer Glace in der Hand auf dem Weg zu Milagros, um den Fortschritt an der Hülle zu begutachten, als uns jemand kurz vor dem Boatyard heftig winkte und „Hey Suizas“ rief. Dieser Jemand stand am Tor bei einer der Shrimpwerften. Wir blieben verwundert stehen – woher wusste er, dass wir aus der Schweiz waren? Es klärte sich rasch auf. „Wir hatten vor dem Ley Supermarket miteinander gesprochen“, meinte er. Zwei Wochen zuvor sind wir mit unseren neuen Velos zum etwa 2km entfernten Supermarkt geradelt. Nach dem Einkauf machten uns zwei Hermanos Komplimente zu unseren Drahteseln. Mit Händen und Füssen und einer Mischung aus Spanisch und Englisch unterhielten wir uns danach eine Weile mit ihnen und sprachen darüber, weshalb wir hier waren, wo wir herkamen und über Musik. Und nun trafen wir also einen der beiden – sein Name war Luis – wieder. Was für ein Zufall!
Es geht vorwärts
Nach der zweiten Nacht im Pearl Point packten wir unsere Siebensachen in der Hoffnung, dass nun dies der Tag war, an dem wir wieder auf unser Schiff konnten. Es zeichnete sich dann aber so gegen 14 Uhr ab, dass dies nicht der Fall sein würde. Milagros war nun zwar unten rum quasi nackt, doch um 15 Uhr ist jeweils Feierabend und bis dann reichte es nicht, um Milagros wieder zurück an ihren Platz zu bringen.
Das Sandstrahlen läuft Pati inspiziert den sandgestrahlten Rumpf von Milagros
Obwohl wir mit dem Pearl Point gute Erfahrungen gemacht hatten, wollten wir das Hotel El Faro testen, welches direkt neben dem Boatyard liegt. Die gängige Meinung ist, dass es ein Stundenhotel für die Touristen sei. War unser Entscheid ein Fehler?
Es geht um die Erfahrung
Für 500 Pesos (gleich viel wie im anderen Hotel) quartierten wir uns also im El Faro ein. Der direkte Vergleich zeigte rasch: das Preis-Leistungsverhältnis war hier definitiv schlechter. Ein schwacher Geruch nach Zigarettenrauch, keine Decke und die Matratze lag auf einem Betonfundament. Und das aussen gross an der Fassade angepriesene WiFi hatte es auch nicht. Nun ja, es war ja nur für eine Nacht. So sassen wir draussen vor der Tür auf dem Absatz und tranken Bier, bis dass es Schlafenszeit war und die Eignerin wieder da war, um uns eine Decke zu besorgen. Beim ersten Tageslicht verliessen wir das Hotel um eine Erfahrung reicher.
Nett...
Feuchtigkeit der Hülle
Nachdem Milagros wieder an ihrem Platz war, konnten wir das Ergebnis des Sandstrahlens begutachten. So fanden wir ein ziemlich tiefes Loch in unserem Ruder und weitere Osmosebläschen, die wir zuvor übersehen hatten. Wir waren zufrieden mit unserem Entscheid bis auf das Fiberglas zu gehen.
Die gebohrten Löcher sind nach dem Sandstrahlen noch sichtbar
Die diversen Messungen der Leifähigkeit (ein Indikator für Feuchtigkeit), die Dave an der ganzen Hülle verteilt gemacht hatte, zeigten, dass sie noch etwas trocknen musste. Zwar haben wir an den meisten Stellen Werte zwischen 8-12%, was gut ist. Es gilt: je tiefer desto besser. Dennoch fanden wir auch Stellen mit bis zu 30%, was definitiv zu viel ist. So lassen wir die Hülle vorerst sein, und widmen uns anderen Projekten.
Das Ruder muss weg
Gemäss einem Beschrieb eines Kelly Peterson 44 Besitzers sollte der Ausbau des Ruders ziemlich einfach sein. Einerseits muss im Innern des Bootes der Steuerquadrant, der am Ruderschaft befestigt ist, entfernt und die Stopfbuchse gelöst werden. Andererseits müssen am unteren Teil des Ruders 5 Schrauben gelöst werden und die Klemmvorrichtung entfernt werden, die das Ruder an seinem Platz hält. Zudem braucht man unter dem Ruder gut einen halben Meter Platz, da der Ruderschaft etwa 50cm lang ist.
Ein Klassiker
Die ersten Fragezeichen kamen auf, als ich die 5 Schrauben suchte, aber nur eine fand. „Bin ich blöd oder haben wir anderes Ruder?“, fragte ich mich. Mit einem Schraubenzieher bewaffnet fing ich an, in der vermuteten Gegend an der Oberfläche zu kratzen. Und siehe da, gut getarnt mit Seebewuchs und Füllmaterial fand ich vier Schlitzschrauben. Was jetzt kommt, ist fast schon ein Milagros-Klassiker. Auch unser grösster Schraubenzieher war zu klein für diese Schrauben, und die Schrauben hockten auch noch unbeweglich in ihren Löchern.
Es ist immer die letzte Schraube
Dave von SY Cavu versorgte uns wiedermal mit allerlei notwendigen Werkzeugen (danke!), womit wir 3 von 4 Schrauben lösen konnten. Für die vierte Schraube war aber auch Daves Schraubenzieher zu klein, da der Schraubenkopf bereits etwas vermurkst war. Die Werftmitarbeiter waren gerade in der Nähe und halfen uns aus. Ein nicht ganz passender Schraubenzieher wurde mit der Flex passend gemacht und gleich ausprobiert. Kraft gepaart mit Erfahrung und Technik löste auch diese Schraube.
Rohe Gewalt
Der Steuerquadrant war schnell abmontiert, alles andere leider nicht mehr. Nicht nur hatten wir ein zusätzliches, nicht standardmässiges Lager, dessen Schrauben mit Bilgenfarbe angemalt waren und nicht so aussahen, als ob sie gelöst werden sollten. Auch die beiden grossen Muttern der Stopfbuchse bewegten sich keinen Millimeter. Wir wollten schon aufgeben, als Marga von SV Dogfish (eine der beiden andern KP44 hier auf dem Yard) uns zu Hilfe kam. Mit Hammer, Schraubenzieher und roher Gewalt ging‘s dem Lager an den Kragen. Dave und ich rüttelten unten am Ruder und Marga schraubte und hämmerte von innen.
Hämmern bis in die Nacht
Das Ruder liess sich dann dazu herab, sich 7cm zu bewegen, aber mehr nicht. Der Ruderschaft musste sich verkeilt haben. Wir rüttelten, klopften, hämmerten Keile dazwischen, hingen uns selbst daran, aber es wollte nicht. Marga brachte auch ein Spannset, das wir am Zaun hinter uns befestigten und womit wir den unteren Teil des Ruders vom Schiff weg zogen, um den Schaft senkrecht auszurichten. Es dunkelte bereits ein und das Hämmern lockte weitere Yardbewohner an, die uns tatkräftig und/oder mit Bier unterstützten. Irgendwie und irgendwann ging es aber plötzlich schnell: Es kam Bewegung in die ganze Sache und schwupsdiwups war das Ruder ausgebaut.
Ein bisschen Spass muss sein
Gemeinsam mit den Helfern von SV Cavu, SV Alegría und SV Dogfish feierten wir den Erfolg mit Tacos und Bier. Die Gemeinschaft hier auf dem Boatyard ist echt toll. Die Leute sind super nett und egal um was es geht, es ist jederzeit eine helfende Hand oder ein nützlicher Rat zu finden.

Nichts ist fertig
Die Zeit hier vergeht wahnsinnig schnell. Wir sind nun bereits einen Monat auf dem Boatyard und haben noch kein Projekt abgeschlossen. Das ist nicht schlimm, da jedes unserer grossen Projekte mehrere Monate dauert. Und wir konnten bereits viele Arbeitspakete abhaken und andere in die Wege leiten – ganz normales Multiprojektmanagement. Dennoch freuen wir uns darauf, wenn wir mal den Haken an eines der Projekte setzen können.

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5 Comments
Hans
Toll gemacht, konsequenter Vorgehensentscheid, schöne Zusammenfassung!
Feuchte im Ruder schon gemessen? (wg. Gewicht)
Besteht schon ein Fabrikat-Trend fürs Antifouling?
Gruss vom kalt-verschneiten Gempen
David
Hoi Hans,
Danke für deine Gedanken. Die Feuchte im Ruder scheint i.O. zu sein. Wir haben auf den Flächen gemessen und das Ruder angebohrt um den Wasseraustritt zu beobachten.
Als Antifouling wäre Coppercoat toll. Es geht uns hierbei vor allem um den ökologischen Gedanken. Das liegt aber noch in weiter Ferne. 🙂
Wooden ship kit - Ages Of Sail
That’s really nice post. I appreciate your skills. Thanks for sharing.
David
Vielen Dank!
Patricia
Thank you!