Milagros gegen den Nordwind

Trotz dem starken Wind war es gemütlich in der Honeymoon Cove. Draussen heulte der Wind und wackelte am Schiff. Im windgeschützten Bauch von Milagros genossen Pati und ich das Leben auf dem Wasser. Endlich war es so weit. Auch nach ein paar Wochen mussten wir uns immer wieder daran erinnern, dass die Zeit in Puerto Peñasco endlich vorbei war. Wir schauten aus unseren kleinen Fenstern und saugten die Aussicht in uns auf. Weit und breit nur Wasser und die dramatische Szenerie der Sea of Cortez. Gleichzeitig bereiteten wir bereits unsere Weiterreise vor.

Vorwärts planen

Nachdem wir beim Ankern in der Bucht ja zwei, drei Anläufe brauchten steigerte sich Stunde um Stunde auch unser Vertrauen in unsere Anker-Ausrüstung. Das Schiff blieb trotz starker Böen genau, wo es sein sollte, auch die Schäden, die das Fischerboot im Hafen von Puerto Peñasco am Bugroller verursacht hatte , beeinträchtigten die Performance des Materials nicht. So weit, so gut. In Gedanken waren wir aber schon weiter, denn mit einem günstigen Wetterfenster wollten wir weitersegeln. Da es bei den windigen Bedingungen draussen sowieso nicht allzu viel zu tun gab, widmeten wir uns der Planung der Route weiter Richtung Süden.

Die Honeymoon Cove in windigen Bedingungen ist von einer schroffen Schönheit

Wir müssen uns wieder verstecken

Es war schnell klar, dass wir nach der Nordwind-Phase in der Honeymoon Cove nur ein paar Tage Zeit hatten, um uns schnell wieder in einer Bucht zu verstecken, die gegen Nordwind geschützt ist. Denn die Wettervorhersagen liessen nichts Gutes erahnen. Es kam wieder Nordwind rein, diesmal sogar noch stärker. Als entschlossen wir uns, mit einem Zwischenstopp in einer Bucht namens El Gato nach San Evaristo zu segeln, wo wir uns dank gleichnamigem Fischerdorf sogar Internetempfang versprachen. Dort würden wir wieder ausharren, bis die Bahn frei war, um weiterzuziehen.

Wo denn bloss anhalten?

Der erste Stopp sollte El Gato sein. Auch wenn der Nordwind weg war, wollten wir trotzdem einen Zwischenhalt, der gegen Wellen geschützt war. Denn wenn ein Wind ein paar Tage lang geblasen hat dauert es meistens noch eine Weile, bis sich auch die Wellen beruhigt haben. So war es beschlossen, und als sich die Windsituation beruhigt hatte, lichteten wir in aller Herrgottsfrühe den Anker und waren wieder unterwegs. Die Route führte kurzzeitig wieder zurück in Richtung Puerto Peñasco, damit wir die Nordspitze der Insel umrunden konnten. An der Südspitze war ja bekanntlich eine Havarie im Gange, da wollten wir nicht in die Quere kommen. Trotzdem konnten wir nach ein paar Stunden noch einen Blick auf die aufs Riff aufgelaufene Motoryacht «Vixit» erhaschen.

Angst und Panik

Die Überfahrt nach El Gato war relativ ereignislos. Die erste Hälfte fand ausschliesslich unter Motor statt, kein Wind weit und breit. Dies änderte sich in der zweiten Hälfte der Route, wo wir tatsächlich segeln konnten. Vor El Gato angekommen mussten wir wieder über unseren eigenen Schatten springen. War die Bucht wirklich genug geschützt gegen die übriggebliebenen Wellen? Trauten wir uns zu im 5 Metern Wassertiefe zu ankern? Wir hatten doch erst den südlichen Teil der Bucht mit Anila ausgekundschaftet? Was wäre, wenn? Was war zuerst? Das Huhn oder das Ei? Fragen über Fragen. Wir machten uns mal wieder selbst nervös. Unsere Hirne spannten allerlei Geflechte darüber, was denn alles schief gehen könnte.

Wir motoren vorwärts

Alles gar nicht so schlimm

Wir wollten unseren Köpfen schon fast Recht geben und waren bereits am geplanten Ankerplatz vorbeigefahren, als wir uns entschieden unseren Sorgen nicht klein beizugeben, umkehrten und problemlos über sandigem Grund ankerten. Der Anker hielt sofort, die Kommunikation während dem Manöver stimmte, die Umgebung war wieder einmal wie von einem anderen Stern. Zeit für ein Ankerbier. Nimm das, Vernunft! Es ist alles Erfahrungssache, das wird schon mit der Nervosität. Wir haben inzwischen gemerkt, dass alles halb so schwer geht, wenn wir uns nicht verrückt machen und einfach mal versuchen. Das war während dem Umbau schon so, warum soll es unterwegs anders sein?

Wir sind zu nahe am Ufer!

Die zweite Amtshandlung nach dem obligaten Ankerbier war, das Dinghy zu Wasser zu lassen und die Umgebung zu erkunden. Besonders die wunderschönen Sandstein-Formationen am Ufer luden zum Auskundschaften ein. Am Strand hatten es sich ein paar Camper mit ihren Vans gemütlich gemacht, es war warm und wolkenlos. Milagros lag relativ nahe am Ufer, deshalb entschieden wir uns, den Aussenbordmotor gar nicht erst zu montieren, liessen uns einfach vom Wasser ans Ufer treiben und die Sonne schien uns auf die Bäuche (die im letzten Jahr merklich kleiner geworden sind aber noch ein bisschen bräunen müssen). Haben wir gesagt, dass Milagros nahe am Ufer lag? Pustekuchen. Während man auf dem Schiff das Gefühl hat, dass man nächstens am Ufer auf Grund läuft, relativiert sich alles bei einem Landgang relativ schnell. Milagros war weeeeeeeit weg von jeglichen Gefahren. Das ist ein bekanntes Phänomen und es geht allen Böötlern gleich.

Der Sandstein von El Gato

Die Ankerbucht selbst ist bekannt für beeindruckende Sandstein-Formationen in ihrem nördlichen Teil und ein Riff im südlichen Teil. Im Mai 2021 hatten wir mit Iñaki und Carmen auf Anila das Riff mit Taucherbrille und Schnorchel besucht, nun standen die Sandsteine an. Wir gingen barfuss den Strand entlang und waren einfach mal wieder einfach nur beeindruckt davon, was die Natur während der Entstehung der Erde so aus dem Hut gezaubert hat. In orangen, rötlich-braunen und beigen Farbtönen lagen die Sandsteine da, geformt von Wind, Wetter und Wellen. Zurück auf Milagros liessen wir den Tag ausklingen und wurden von einem der typischen, farbenfrohen Baja-Sonnenuntergänge überrascht. Am nächsten Morgen dasselbe Spiel wie tags zuvor. Mit den ersten Sonnenstrahlen machten wir uns wieder auf den Weg, mit Ziel San Evaristo.

Wir verlieben uns zum x-ten Mal

Und wisst ihr was? Wir konnten diesmal so richtig segeln! Stundenlang, praktisch die ganze Strecke, hatten wir tollen Wind und Milagros konnte mal wieder zeigen, was in ihr steckt. Wir haben so ein tolles Schiff gekauft. Jedes Mal, wenn wir die Segel hochziehen geht ein Schub von Energie durch die ganze Hülle und man merkt, wie sehr die Kelly Peterson 44 zum Segeln gemacht ist. Sobald sich der Windpilot und das Schiff eingependelt haben, geht Milagros wie auf Schienen in Richtung Ziel. Und dieses Ziel war San Evaristo. Als wir den «Canal San José» erreichten, in welchem sich auch die Einfahrt nach San Evaristo befindet. sahen wir einen Katamaran, der sich von einem Ufer ans andere bewegte und sich ein ums andere Mal nahe am Ufer in unsere Gegenrichtung bewegte. Das machte weder wind- noch wellentechnisch Sinn. War das Schiff auf Erkundungstour? Suchten sie etwas?

Dasselbe Spiel wie immer

Kurz darauf kamen wir in San Evaristo an. Hier dasselbe Spiel wie in El Gato. Es befanden sich schon einige andere Schiffe in der Ankerbucht, die dieselbe Idee hatten wie wir, um sich vom nächsten grossen Blow aus Norden zu verstecken. Erste Reaktion? Geht nicht, zu viele Schiffe, kein Platz, alles zu nahe, Wellen in der Bucht. An der Einfahrt vorbeifahren. Zweite Reaktion? Was machen wir hier eigentlich? Umkehren, die Situation aus der Nähe einschätzen (alles halb so schlimm), und dann problemlos ankern. Hallo, San Evaristo, wir heissen Milagros. Nett dich kennen zu lernen!

"Nein, Nein, Nein!" - "Ja, Ja, Ja!"

Schlechte Neuigkeiten

San Evaristo ist geprägt von steilen Felsformationen und einem Fischerdorf, das an einem langen Strand liegt. Die Einwohner haben für die Segler (und wahrscheinlich auch die vielen Fischer) eine schnuckelige kleine Bar aufgebaut, in der man neben zu Essen und zu Trinken auch Internetzugang kaufen konnte. Darum unser erster Termin nach dem wir das Schiff aufgeräumt hatten – Internet am Ufer. Mal schauen was so geht auf der Welt und den Wetterbericht reinholen. Leider gab es schlechte Neuigkeiten. Gleich in der Nähe der Honeymoon Cove war ein Katamaran mit Hund angespült worden. Vom Skipper keine Spur. Das Internet lief Sturm und es wurde fleissig per Facebook und Konsorten nach dem Besitzer des Schiffs gesucht. Wahrscheinlich war der Katamaran, den wir zuvor im Kanal gesehen hatten, auf der Suche nach dem vermissten Segler. Das war nicht gut, und der Wind macht es den Suchenden auch nicht einfacher.

Und dann bläst es wieder

Denn wie angekündigt kam kurze Zeit später wieder der Nordwind. Fallwinde mit bis zu 30 Knoten peitschten über die steilen Hügel in die Bucht und schoben die Schiffe an ihren Ankern herum. Milagros liess die Windsituation stoisch über sich ergehen (wir auch), drehte sich von links nach rechts, auch diesmal hielt der Anker problemlos. Wir beobachteten kontinuierlich die Situation auf unseren Tablets, damit wir reagieren konnten, sollte der Anker ausreissen und wir auf Milagros davon driften. So vergingen die Tage. Wir lernten auch noch Marcia und Peter aus Chile auf ihrer «Frejya» kennen und genossen mit ihnen das eine oder andere Bier. Spannende Leute, allerdings auf einer Mission, denn sie flogen bald wieder nach Hause und wollten ihr Schiff irgendwo in La Paz zur Aufbewahrung platzieren.

Ausharren ist angesagt

Viel mehr als ausharren und warten bis der Wind nachlässt konnten wir nicht. Wieder nutzten wir die Zeit zum Relaxen und Weiterplanen. Der nächste Halt auf unserem Weg in Richtung La Paz sollte die Isla San Francisco sein, der Seglertraum schlechthin und in allen Bestenlisten von Seglern aus der Sea of Cortez zu finden. Warum das so ist? Das seht ihr dann im nächsten Blogpost. 😊

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