Nach 10 Tagen ohne Internet und mit dem Zeitplan vor Augen, verliessen wir Agua Verde. Unsere Route führte uns weiter nördlich. Wir erkundeten Candeleros Bay, Loreto und die Isla Coronado. Schliesslich überquerten wir die Sea of Cortez nach San Carlos, das auf dem Mexikanischen Festland liegt.

Vor jeder Passage – sei sie auch nur 20 Seemeilen lang – erstellen wir einen Passagenplan. Dieser dient unter anderem dazu, sich aktiv und bewusst damit zu befassen, was vor einem liegt. Wie weit ist mein Ziel entfernt? Wie lange brauche ich dafür? Wann muss ich spätestens los? Auf welche Wetterbedingungen treffe ich unterwegs? Lauern besondere Gefahren? Wo kann ich ankern? Wie sind die Gezeiten und Strömungen? Was sind meine Alternativen? Gibt es bestimmte Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit ich die Passage überhaupt machen kann?
Der Papierplan
Der Plan wird optimalerweise auf Papier gemacht und enthält Wegpunkte, die Distanzen dazwischen und die zu fahrenden Kurse. Somit dient dieses Stück Papier auch als Backup für die Navigation, sollten alle elektronischen Systeme ausfallen. Das ist vor allem bei längeren Passagen oder Überquerungen ohne Landsicht hilfreich. Bei kürzeren Passagen begnügen wir uns durchaus mit einer Routenplanung in der Navigationsapp Navionics, die wir alle auf unseren Tablets und Handys haben.
Google Maps für Schiffe
Sie ist wie eine Google Maps Routennavigation und super praktisch mit vielen zusätzlichen Informationen über die Umgebung. Das laufende Update der erwarteten Ankunftszeit ist besonders hilfreich, um einzuschätzen, ob zum Beispiel etwas an der Geschwindgeit, ergo an der Besegelung, geändert werden muss, damit ein Ankerplatz noch bei Tageslicht erreicht werden kann.
Auf der Jagd nach Empfang
Von Agua Verde aus reichte in diesem Fall eine digitale Routenplanung. Unser Ziel war die 20 Seemeilen entfernte Bucht Candeleros. Sie ist zwar nicht besonders schön, aber sie hat Handyempfang. Wir Suchtis wollten uns nach 10 Tagen ohne Empfang wiedermal mit dem Rest der Welt verbinden. Cavu ging es ähnlich, so machten wir uns gemütlich, ohne früh aufstehen zu müssen, auf den Weg nach Candeleros. Sogar ein bisschen Segeln lag drin. Aber als der Wind unter 5 Knoten (9 km/h) fiel, gaben wir auf.
Candeleros
Kurz vor Candeleros checkten wir eine kleine, spezielle Ankerbucht Namens "die Hand Gottes" aus. Denn sie stand auf Daves Wunschliste. Leider hatte ein Boot bereits mitten drin geankert und es passten keine zwei weiteren Boote rein. Also blieb es bei unserem ursprünglichen Ziel. Kaum vor Anker in Candeleros begrüsste uns auch schon Mike von SV Ikigai, den wir in Agua Verde kennengelernt hatten. Wir verabredeten uns zu Drinks im riesigen all inclusive Ressort am Strand.

Drinks im Ressort
Da Dave und Iñaki mehr Lust auf Chillen auf dem Schiff als Bier im Ressort hatten, schnappten Carmen und ich uns das Dinghy und gingen alleine an Land. Wir hatten noch nicht einmal den Dinghyanker fertig befestigt, als eine Frau in beiger Rangerkleidung und mit einem Klemmbrett auftauchte. Wo wir denn hinwollten, fragte sie uns. Als wir mit "Drinks im Ressort" antworteten, geleitete sie uns einmal quer durch die ganze Anlage zur Rezeption. Dort mussten wir einen Ausweis hinterlegen und kriegten dafür Besucherarmbändchen.
Besuchszeiten
Plötzlich fiel aber dem einen Rezeptionisten ein, dass Besucher nur bis 18.00 Uhr zugelassen waren. Es war genau 18.00 Uhr. Während sie also mit ihrem Manager abklärten, ob wir bleiben durften, deckten wir uns im kleinen Supermarkt des Ressorts mit kaltem Bier und Chips ein. Sollten sie uns wegweisen, könnten wir immer noch an den Strand. Netterweise liessen sie uns dann doch bleiben. Das Besuchen aller Restaurants sei ok, aber in den Pools baden dürfen wir nicht. Ok, kein Problem. Marla und Dave von SV Cavu stiessen auch dazu und wir genossen ein paar völlig überteuerte Biere im Schickimicki-Ambiente.
Wir treffen Skookum
Bei unserer Ankunft in Candeleros sahen wir am anderen Ende der Bucht einen Katamaran und fragten uns, ob es SV Skookum war. Wir schrieben ihnen eine Nachricht, und sie verneinten. Aber ein paar Stunden später stellten wir erfreut fest, dass Skookum plötzlich doch neben uns ankerte. Wir besuchten sie tags darauf und Carmen betrat das erste Mal einen Katamaran. Obwohl wir unsere Einrumpf-Schiffe sehr mögen, ist manchmal eine grosse „Terrasse“, wie sie Katamarane besitzen, schon sehr gemütlich. Die restliche Zeit in dieser Bucht verbrachten wir mit Dingen, die man halt in einer solchen Bucht so macht: schnorcheln, schwimmen, kochen, waschen, relaxen.
Waschen vor Anker
Zurück in die Zivilisation
Unser Kühlschrank gab nicht mehr viel an frischem Gemüse her, deshalb war es Zeit, in die Zivilisation zurückzukehren. Loreto war das Einkaufsziel unserer Wahl. Da Flaute herrschte, kam das eiserne Leichtwindsegel aka Motor zum Einsatz. Wir nutzen die Zeit, um das Reffen (Verkleinerung der Segelfläche) zu üben. Die Person am Steuer übernahm jeweils das Kommando, während die anderen beiden verschiedenste Leinen lösten oder anzogen. Das alles unter Aufsicht von Iñaki und der Stoppuhr: 2 Minuten Zeit hatten wir, um das ganze Prozedere durchzuführen. So vergingen die 4.5 h schnell, die wir für die 20 Seemeilen benötigten.
Loreto
Loreto ist ein herziges Städtchen, das hauptsächlich von Tourismus lebt. Vieles ist zu Fuss gut erreichbar, so auch der Supermarkt. Aber wir gönnten uns zuerst auf der Plaza einen kühlen Drink. Zuerst das Vergnügen, dann die Arbeit, wie man ja bekanntlich sagt. Mit dem Endziel San Carlos vor Augen checkten wir immer wieder die Wettersituation und entschlossen uns dafür, eher früher als später die Baja California zu überqueren. Deshalb blieben wir auch nur eine Nacht in Loreto und machten noch einen kleinen Abstecher zur Isla Coronado. Einfach weil es dort so schön ist. Und vielleicht auch, weil noch niemand von uns den Passagenplan für die Überquerung gemacht hatte.
Isla Coronado
Carmen übernahm die Kapitäninenrolle für den 9 Seemeilen kurzen Schlag zu der Isla Coronado. Wir hatten netten Wind und konnten gemütlich dorthin segeln. Die Isla Coronado Ankerbucht hatten wir auf dem Weg nach La Paz kurz besucht gehabt, nach unserem Fischernetz-Zwischenfall. Wir hatten leider auch dieses Mal zu wenig Zeit, um alles zu erkunden. Denn die Passagenpläne wollten noch gemacht werden. Zudem gab uns Iñaki als Aufgabe, ein Notfallszenario auf See auszusuchen und es durchzudenken. So habe ich mich eingehend mit dem Mensch-über-Bord Szenario befasst, Carmen und Dave mit Wassereinbruch und Rigging Versagen: Was muss in einer solchen Situation unternommen werden und wie kann es verhindert werden? Obwohl wir nun mental gut auf diese Situationen vorbereitet waren, hofften wir doch, dass es nur bei der Theorie blieb.
Begegnung mit Rochen
Später schnappten Carmen und ich unsere Schnorchelausrüstung. Das türkisgrüne Wasser war ziemlich trüb, doch die Sicht reichte ein paar Meter weit. An der Küste entlang war der Meeresboden bedeckt aus einem Wald aus Seetang. Darin versteckten sich allerlei kleine und grosse Fische. In freien sandigen Flecken am Grund lagen eingegrabene Rochen, die davonstoben, wenn wir über sie drüber schwammen. Leider haben wir bis heute nicht herausgefunden, welche Rochenart wir sahen. Sie waren rund, hatten einen Durchmesser von ca. 1 m und grosse, abstehende Glubschaugen. Da wir nicht wussten, ob es Stachelrochen waren, wollten wir ihnen nicht zu nahekommen. Aber ein mutiger Kerl schwamm sogar zwischen uns durch und betrachtete uns eingehend, wie auch wir ihn eingehend betrachteten. Das war ziemlich beeindruckend.
Punkt 10 Uhr
Der Start für die 120 Seemeilen (ca. 220 km) lange Überfahrt nach San Carlos auf dem mexikanischen Festland war für 10 Uhr angesetzt. Obwohl Kapitän Iñaki nicht ganz zufrieden mit der Geschwindigkeit unserer Vorbereitungen war, wurde der Motor pünktlich um 10 Uhr gestartet, um den Anker zu lichten. Die Windvorhersagen waren schon die ganzen vorhergehenden Wochen praktisch unbrauchbar. Dennoch hofften wir, dass die Prognose von 8 – 15 Knoten Wind aus Westen diesmal stimmte. Das war nämlich das, was wir brauchten. Da unser Ziel ziemlich genau nördlich von uns lag, war das perfekt segelbarer Wind.
Die Überfahrt
Wir wurden nicht enttäuscht. Ziemlich genau die Hälfte der Meilen unseres rund 25-stündigen Trips konnten wir unter Segel zurücklegen. Erst kurz nach 23 Uhr abends, gerade Dave als von mir die Nachtschicht übernahm und ich schlafen ging, musste der Motor wieder gestartet werden. Leider – denn Motorenlärm kombiniert mit der Hitze (während Passagen bleiben die Fenster jeweils geschlossen) ergaben nicht unbedingt gute Voraussetzungen für erholsamen Schlaf. Dave und Iñaki teilten sich währenddessen die beiden mittleren Nachtschichten, um gemeinsam Fussballmanager zu spielen.
Sind wir schon da?
Nach meinem allmorgendlichen Kaffeeritual gesellte ich mich zu Carmen ins Cockpit. Sie hatte die letzte der vier Nachtschichten von 4 – 7 Uhr. Da der Wind wieder etwas auffrischte, hissten wir die Segel erneut und genossen die Ruhe und die Aussicht auf die Küste. Erst kurz vor dem Eingang zu der Bucht von San Carlos holten wir die Segel wieder runter. Und schon bald waren wir an unserem letzten Ankerplatz dieser Reise angekommen. Die schöne Bucht war umgeben von roten, zackigen Felsen, auf denen unterschiedlichste Kakteen wuchsen.
San Carlos
Die letzten paar Tage in San Carlos, bevor wir wieder zurück zu Milagros nach Puerto Peñasco reisten, verbrachten wir gemütlich vor Anker. Obwohl es mit 37° ziemlich heiss war, lud das Wasser nicht zum Schwimmen ein. Die Stadt San Carlos ist nicht unbedingt eine Schönheit und zu sehen gab es auch nicht sonderlich viel. Deshalb gingen wir alles gemächlich an. Carmen nutze die Zeit, um mit der Sailrite Nähmaschine Taschen aus ihrem alten Grosssegel zu nähen. Auch gaben wir uns noch einen 3-stündigen Trainingsausflug bei richtig gutem Wind vor San Carlos. Wir übten Wenden und das Beidrehen, was als eine von vielen Sturmtaktiken genannt wird und auch generell als Manöver zum Stoppen von Schiffen, z.B. wenn ein Mensch über Bord fällt, verwendet wird.
Ein Resümee
Für uns war es dann wieder Zeit, zurück an die Arbeit zu gehen. In den 25 Tagen auf Anila verbrachten wir 15 Tage auf See, haben 285 Seemeilen, davon 132 unter Segel, zurückgelegt und an 8 Orten geankert. Nicht schlecht, oder? Das hat in unsere Erfahrungsbüchli eingezahlt und uns weiter auf das vorbereitet, was in Zukunft vor uns liegen wird. Wir haben jedoch nur an der Oberfläche gekratzt und freuen uns riesig darauf, in aller Ruhe ohne Zeitdruck mit Milagros die Sea of Cortez zu erkunden.
An dieser Stelle ein grosses Dankeschön an Carmen und Iñaki, dass sie uns auf Anila mitgenommen haben und uns dieses Training ermöglicht haben. Wenn du auch gerne bei ihnen mitsegeln möchtest, schau doch mal auf ihrer Homepage vorbei.
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