Es ist nicht soweit! Wir können nicht los!

Wir erleben die schlimmste Woche, seit wir vor über einem Jahr nach Mexiko gekommen sind. Manchmal fragen wir uns echt, wie viel eigentlich auf eine Kuhhaut passt. Unser Motor will am Abreisetag nicht starten. Deshalb verpassen wir das Wetterfenster und müssen wir unser komplettes Schiff auseinandernehmen.

Keine 2 Tage vor unserer Abreise aus Peñasco wäre unser Abenteuer fast zu Ende gegangen. Als wir von einer Tour durch die Stadt für die letzten Besorgungen zurückkamen, fiel mir auf, dass Milagros nicht mehr ganz am gleichen Ort festgemacht war. Sie musste sich irgendwie verschoben haben, denn der Pfosten mit Wasser- und Stromanschluss befand sich mitten vor dem Einstieg auf unser Schiff. Wir dachten aber nicht weiter darüber nach. Dann erzählte uns der Bootsnachbar, dass ein Stahl-Fischerboot in das Dock geknallt war, während wir weg waren. Wir betrachteten also die massiven Schäden am Dock. Dann führte unser Nachbar weiter aus und meinte, dass er sah, wie das Fischerboot Milagros gestreift habe. Es kam sofort ein Anflug von Panik auf; hatte der Metallkoloss etwa unsere neue Farbe beschädigt??? Wir stellten aber schnell fest, dass "nur" das Bugspriet und die Ankerrolle verbogen und das Navigationslicht beschädigt waren.

Es hätte schlimm enden können

Als unser Nachbar uns dann erzählte, wie die Kollision ablief, standen uns die Haare zu Berge. Beim Fischerboot habe der Rückwärtsgang geklemmt und es sei zügig rückwärts in den Pfeiler gekracht. Nur wenige Meter weiter rechts wäre es unser Schiff, und nicht der Pfeiler gewesen. Und Milagros wäre dann vielleicht nicht mehr gewesen. Was für ein Schock! Milagros machte ihrem Namen wieder einmal alle Ehre!

Und wir finden den Namen nach wie vor super, entgegen eines Kommentars, den wir unlängst von einem Sea Shepherd Crew Mitglied über Milagros überhörten, als sie mit ihrem Schiff "Sharpie" (dt. Permanentmarker) in Peñasco waren und mit ihrem Dinghy hinter uns angelegt hatten: "Und wieder einmal ein doofer Bootsname". ». Sea Shepherd bekämpft mit der Kampagne namens «Milaro» zurzeit die illegale Fischerei in der nördlichen Sea of Cortez. Gut, dass sie hier sind, aber anscheinend haben sie keinen Geschmack.

Kosten, Arbeit und Ärger

Der Hafenmeister hatte bereits eine Verfügung ausgestellt, dass der Schadenverursacher erst wieder den Hafen verlassen darf, wenn die Schäden beglichen sind. Marga von Dogfish Boatworks erstellte noch am selben Tag einen Schadensbericht, den wir sofort einreichten. Und die verschiedenen Partybootbetreiber am Dock sind sich ziemlich sicher, dass wir eine Entschädigung erhalten werden. Der Sachschaden beläuft sich auf rund $1.500 und natürlich Arbeit und Ärger. Zum Glück hielten uns diese Schäden nicht davon ab, Peñasco zu verlassen. Dafür tat es etwas anderes.

Es war nicht so weit

Am Montagmorgen, 24.1.2022 um 8.00 Uhr wollten wir die Leinen lösen, denn dann war Flut und es boten sich wettertechnisch 2 gute Tage an, um die rund 140 Seemeilen zu unserer ersten Ankerbucht zurückzulegen. Doug und Marga stellten extra einen Wecker, um uns Adieu zu winken, und sogar der Hafenmeister war da, um uns unsere Abreisedokumente zu bringen. David startete den Motor, und 5 Sekunden stellte sich dieser von selbst wieder ab. Ohne Erfolg versuchten wir den Motor noch ein paar Mal zu starten. Das war der Anfang vom Ende. Es war nicht so weit, wir konnten nicht los. Dann kochten wir erstmal Kaffee, denn uns war schnell klar, dass die Problemlösung länger dauern könnte.

Dieselmotoren sind genügsam

Dieselmotoren sind grundsätzlich nicht sehr anspruchsvoll: Sie brauchen Luft, Diesel, Verdichtung und natürlich genügend Startstrom, um zu funktionieren. Wenn der Motor einfach abstellt, liegt es oft an mangelnder Dieselzufuhr. Diese kann unter anderen verursacht werden durch leere Tanks, verstopfte Leitungen, versehentlich geschlossene Zufuhr, nicht funktionierende Diesel Hähnen, Luft im Dieselsystem, mangelnde Entlüftung der Tanks, kaputte Dieselpumpe, dreckige Filter, und Dieselpest.

Luft im System?

Wir hatten volle Tanks, einen sauberen Luftfilter und genügend Startstrom – das wussten wir sicher. Marga brachte uns die notwendigen Werkzeuge, um einen Drucktest am System vorzunehmen und so allfällige Lecks zu finden. Wir verbrachten den restlichen Tag damit, uns selbst zu bemitleiden, und durch Testen von verschiedenen Abschnitten das Leck im System zu finden. Dabei pumpten wir Luft in die Leitungen und schmierten Seifenschaum auf alle Verbindungen. Fündig wurden wir bei der Dieselansaugpumpe des Motors. Bei zwei kleinen Schrauben sahen wir Seifenbläschen aufsteigen.

Schlechte Entlüftung?

Da wir schon lange vermuteten, dass mit unseren Tankentlüftungen etwas nicht stimmte, öffneten wir auch die Einfüllstutzen an Deck. Bei beiden Tanks hörten wir, wie Luft angesogen wurde. Ausserdem knallte es laut, was auf ein Vakuum hindeutete. Die Entlüftungsschläuche mussten also ersetzt werden. Unsere Theorie zu diesem Zeitpunkt war, dass wir beim letzten Testlauf ein Vakuum im Dieselsystem erzeugt hatten. Durch die undichte Dieselansaugpumpe hat sich dann das System mit Luft vollgesogen. So kriegten die Einspritzdüsen nicht genügend Kraftstoff.

Grössere Schläuche müssen her

Unsere nächste Mission war es also, grössere Dieselschläuche für die Entlüftung zu besorgen. Die bisherigen 5 mm (3/16’’) Durchmesser waren viel zu klein und wir wollten auf 16 mm (5/8’’) upgraden. Unser Freund Lionel des Caterpillar Ladens empfahl uns einen kleinen Laden gleich um die Ecke, in dem wir sogleich fündig wurden. Leider hatten sie nur 4 m an Lager und wir brauchten 15 m. Doch der Ladenbesitzer konnte den benötigten Schlauch für den darauffolgenden Tag bestellen. Und da wir sowieso das komplette Schiff auseinandernehmen mussten, bestellten wir auch gleich Schlauch für die Verbesserung der Wassertankentlüftung, welche ebenfalls mangelhaft war.

Ein Kunstprojekt

Wir widmeten uns in der Zwischenzeit einem lange hinausgeschobenen Verschönerungsprojekt auf Milagros. Schon vor einiger Zeit hatten wir von der französischen Künstlerin Marine Marcus eine Tischeinlage mit Tieren aus der Sea of Cortez erstellen lassen. So bauten wir unseren Esstisch aus, brachten ihn an den nächstbesten windgeschützten Ort (die Dusche der Marina) und übergossen die Einlage mit Tischepoxid. Es war schön, in dieser frustrierenden Zeit etwas nicht Nötiges einfach für sich zu machen.

Als hätte eine Bombe eingeschlagen

Als die neuen Schläuche da waren, begann eine der mühsamsten Arbeiten, die wir je auf Milagros machen mussten. Nicht nur mussten wir uns durch Kästchen ausräumen Zugang hinter die Wandverkleidungen verschaffen, sondern auch der erst kürzlich eingebaute Wassertank musste wieder raus, da er sich genau über dem einen Dieseltank befindet. Es sah aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Und da die neuen Schläuche deutlich grösser waren als die alten, passten keine der Anschlüsse mehr und auch passten sie nicht mehr überall durch. An einer Stelle beschädigte ich sogar ein 110V Stromkabel, als ich den Durchgang vergrössern wollte. Ein richtiger Scheisstag.

Aber am Ende war alles so installiert, wie wir uns das vorgestellt hatten. Dennoch wollte unser Motor auch nach genügender Entlüftung nicht starten. Irgendwie kam weniger Diesel bei den Einspritzdüsen an, als das wir in Erinnerung hatten. Wir hatten unsere Racor Vorfilter auf Verdreckung geprüft und im selben Zug nur herausgefunden, dass die dazugehörige elektrische Dieselpumpe auf der falschen Seite montiert war. Anstatt das Diesel durch die Filter zu ziehen, drückte die Pumpe den Diesel in die Filter. Das behoben wir sogleich. Auch ersetzten wir 2 Hähnen, bei denen wir nicht ganz sicher waren, wie und ob sie funktionierten.

Es kommt noch mehr

Wir fanden auch noch heraus, dass unsere Starterbatterie tot war und dies durch die Art und Weise, wie sie verkabelt war, durch das ganze System verschleiert wurde. Dass sie tot war, tat zwar nichts zur Sache, da wir den Motor auch von unserer Hausbank aus starten können, dennoch musste eine neue Batterie her. Tags darauf brachten wir unsere alte Batterie in einen Batterieladen, wo sie getestet wurde. Von den 900 Einheiten Kaltstartstrom waren noch 29 übrig. Ganz im Milagros Style hatte aber die neue Batterie etwas grössere Pole, sodass wir unsere Kabel Konnektoren grösser bohren mussten, damit wir die Batterie anschliessen konnten.

Wir waren mit dem Latein am Ende

Wir kontaktierten Doug, ein lokaler Dieselmechaniker, denn wir kamen nicht weiter und brauchten Hilfe. Gemeinsam mit ihm fanden wir heraus, dass die Dieselansaugpumpe am Motor selbst verklemmt war und daher nicht genügend Diesel in die Verteilung kam. Wir gingen also wieder los und suchten uns in Peñasco die Teile zusammen, die wir für die Umgehung dieser Pumpe brauchten. Danach kam aber nach der Verteilung immer noch nicht genügend Diesel raus. Also prüften wir auch den dortigen Filter, welcher aber gut aussah. Wir bauten deshalb die gesamte Verteilung aus, reinigten sie gründlich und ersetzten den Filter. Nun spritzte bei der Entlüftung der Dieseleinspritzpumpe der Diesel richtig aus den Entlüftungsschrauben. Dennoch wollte der Motor nicht starten.

Dieselpest?

Doug stellte aufgrund kleiner schwarzer Partikel und der gelblichen Farbe des Diesels in unseren Vorfiltern die Vermutung an, dass wir die Dieselpest haben könnten. Das sind Mikroorganismen, die sich in Dieseltanks vermehren und alles verstopfen. Sie brauchen dazu Wasser und Luft. Wir hatten den Fehler gemacht, unsere Dieseltanks vor der Auswasserung nicht bis oben aufzufüllen (=Luft) und im Sommer war die Luftfeuchtigkeit ziemlich hoch (=Wasser), was ein Befall durchaus erklären konnte. Da das Design unserer Wassertanks alles andere als optimal ist und wir keine Inspektionsfenster haben, wurden wir nervös. Wir konnten aber Dieselpest ausschliessen, indem wir den Diesel aus beiden Tanks durch die Filter zirkulieren liessen und die Verunreinigungen sich nicht vermehrten. Glück gehabt!

Arme Betty

Weniger Glück hatten wir noch am selben Abend. Um 22 Uhr hämmerte es an unser Schiff – es war der Nachtwächter. Irgendetwas sei mit unserem Auto (Betty, das Yardauto) geschehen. David nahm sich der Sache an. Betty war vor der Marina an der Strasse parkiert und sah nicht mehr aus wie sie selbst. Betty hatte zerborstene Scheiben, einen platten Reifen und eine riesige Delle. Ein Autofahrer war wohl zu schnell unterwegs und hat die Kurve nicht ganz gekriegt. Ausserdem hat er Fahrerflucht begangen. Das konnte nicht wahr sein! Die Polizei hat zwar einen Unfallrapport erstellt, doch das Unfallauto zu finden war ein Ding der Unmöglichkeit. Obwohl das Fahrzeug ziemlich beschädigt sein musste, würde es hier nicht auffallen, da einige Autos in solchem Zustand auf den Strassen unterwegs sind.

Der letzte Strohhalm

5 Tage nach unserer missglückten Abreise lief unser Motor immer noch nicht. Wir verpassten auch unser nächstes gutes Wetterfenster, was zusätzlich ärgerlich war. Dennoch trafen wir uns mit Marga von SV Dogfish und Marc & Laura von SV Liquid auf Tacos und Drinks. Marga schlug vor, dass wir vor dem Essen noch etwas am Motor rumspielen könnten, was wir dann auch taten. Um Fehlerquellen auszuschliessen, schlug sie vor, den Motor aus einem Dieselkanister laufen zu lassen. Wir bauten somit die Dieselzufuhr um und entlüfteten den Motor erneut.

Ein Wunder!

Beim ersten Versuch wollte der Motor wieder nicht starten. Doch beim zweiten Versuch sprang die Kiste an. Jubel brach an Bord von Milagros aus. Wir hatten uns das Abendessen wirklich verdient! Am nächsten Tag schlossen wir den Motor wieder am Dieselsystem an, und er sprang sofort an. Was jetzt genau den Unterschied mit dem Kanister gemacht hatte, wissen wir nicht.

Eine lehrreiche Woche

Wir haben alle Filter gewechselt, die Dieselverteilung ausgebaut und gereinigt, die elektrische Dieselpumpe versetzt, die Dieselansaugpumpe umgangen, 2 Hähne ersetzt, die Entlüftungsschläuche vergrössert und das ganze System einem Drucktest unterzogen. Wir hatten also innerhalb einer Woche unser komplettes Dieselsystem auseinandergenommen und auf Herz und Nieren getestet.

An dieser Stelle möchten wir uns herzlichst bei Marga bedanken. Sie hat uns non Stopp und geduldig mit ihrem Wissen unterstützt. Und die Seglergemeinschaft stand uns ebenfalls mit Rat und Tat zur Seite und fühlte mit uns mit. Obwohl das vermutlich die schlimmste Woche war, seit wir hier in Peñasco mit dem Umbau begonnen hatten, waren wir dennoch froh, dass wir das Problem hier in der Marina lösen konnten, und nicht irgendwo unterwegs oder in einer Ankerbucht ohne Internetzugang. Wir können immer noch nicht glauben, wie viel Pech wir nur innerhalb einer Woche hatten: Der Fischerboot Crash, das Versagen des Motors und der Betty Unfall. Es kann nur noch besser werden...

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4 Comments

Ich drücke Euch die Daumen und denke das Licht am Ende des Tunnels naht.
Es ist wie bei einer Bergtour und Du denkst den Gipfel erreicht zu haben, Deine letzten Kräfte sammelst, um dann festzustellen dass du doch noch ein gutes Stück weiter gehen musst um das Ziel zu erreichen.
PS: Der Film zu Eurer Reise wird ein Erfolg !!!!!!!!

I stay in one of the condos on Mirador Beach (just east of Manny’s) for a few months every winter. I looked for you on departure day to sail out from behind Whale Hill and out eventually over the horizon. All day I didn’t see you, so I figured something had prevented your departure. Now I know what happened. Next try will be successful!

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