Wir sind zurück in der Schweiz und Milagros ist in Puerto Peñasco auf der anderen Seite der Welt, aber wir können sie immer noch nicht aus dem Kopf bekommen. Wir sind in einer vorübergehenden Fernbeziehung gefangen. Wenn wir nach Mexiko zurückkehren, wird es eine Menge Arbeit mit der Bootsüberholung geben, und manchmal fragen wir uns: "Sind wir mutig oder einfach nur verrückt?"
Hier und dort
Wir sind zurück in der Schweiz – ich schon seit Ende Oktober und David seit Ende November. Es ist schön, wieder zuhause zu sein, dennoch sind wir beide in einer Zwischendimension "gefangen". Milagros sitzt am anderen Ende der Welt in Puerto Peñasco, geht uns aber trotzdem nicht aus dem Kopf. Wir sind zwar hier, aber gleichzeitig auch in Mexiko bei Milagros. Denn die Gedanken drehen sich um die bevorstehende Renovation: An was müssen wir alles denken? In welcher Reihenfolge sollten wir die Arbeiten unter Berücksichtigung aller relevanten Faktoren optimalerweise planen?
Ein schmaler Grat
Es ist ein Wechselbad der Gefühle, denn wir haben alle diese Arbeiten noch nie zuvor gemacht. Es geht hin und her zwischen: "Ja klar, wir schaffen das, andere haben das auch geschafft" und "Sind wir eigentlich wahnsinnig?". Die Grenze zwischen "Mut" und "Leichtsinn" ist manchmal nicht so klar erkennbar. Vielleicht steht uns hier unsere "Schweizer Brille" mit sehr hohen Ansprüchen, was Qualität und Ausführung der Arbeit angeht, etwas im Weg... Sie könnte sich jedoch auch als hilfreich erweisen. Wir werden sehen. Wir wollen so viele der Arbeiten wie möglich selbst in Angriff nehmen. Einerseits ist das die beste Möglichkeit, um das Schiff richtig kennenzulernen und andererseits ist es günstiger (oder weniger teuer, je nachdem wie man’s nimmt).
Es gibt viel zu tun
Wir haben 3 grosse Projekte mit höchster Priorität identifiziert, auf die ich nachfolgend etwas genauer eingehe:
- Der Aussenanstrich
- Die Erneuerung der Süsswassertanks
- Der Ersatz der Takelage und Mast Unterhalt
1. Der Aussenanstrich
Nach dem Auswassern von Milagros wurde sofort ersichtlich, wie dringend ihre Hülle behandelt werden muss: Es haben sich bereits Osmose-Bläschen gebildet. Du wirst dich sicher fragen, was Osmoseblasen sind.
Von Grund auf
Der Rumpf von Milagros besteht aus GFK. GFK ist die Abkürzung für "Glasfaserverstärkter Kunststoff", ein Verbund aus Kunststoff wie Epoxidharz und Glasfasern, der für den Rumpf- und Deckbau verwendet wird. Die Bläschen entstehen, wenn das GFK mit Meerwasser in Berührung kommt. Im Fachjargon wird dies Osmose genannt. Osmose entsteht bei GKF-Schiffen, wenn das Unterwasserschiff nicht optimal geschützt ist und Feuchtigkeit durch das Gelcoat eindringen kann, z.B. bei kleinen Rissen. Gelcoat ist ein Hartlack, der als Schutzschicht auf den GFK aufgetragen wird und ihn gegen Feuchtigkeit, UV-Strahlung und Druckschäden schützt.
Wie die Bläschen entstehen
Die eindringende Feuchtigkeit sammelt sich in dort natürlich vorhandenen kleinen Hohlräumen, zersetzt das Harz, das die Glasfasern verbindet und bildet eine Säure. Sie zieht – durch ihr chemisches Bestreben sich zu verdünnen – weitere Feuchtigkeit in den Hohlraum. Der Druck im Hohlraum steigt und drückt das Gelcoat als Blase nach aussen. Das spröde Gelcoat kann aufplatzen und der GFK ist schutzlos dem Meerwasser ausgesetzt. Und im weiteren Verlauf der Osmose zersetzt sich der GFK zunehmend.
Inspektion vs. Realität
Zum Glück wussten wir schon seit dem Kauf von Milagros, dass der Zustand des Anstrichs – zumindest an Deck – in einem schlechten Zustand war und dass wir da viel Arbeit vor uns haben würden. Dass der Unterwasseranstrich so desolat ist, wussten wir jedoch nicht, denn der Inspektor hatte zwar ein paar wenige grössere Blasen gefunden, laut ihm waren die aber kein Problem. Nun ja, das Gegenteil ist der Fall: Wir haben viele kleine Bläschen und definitiv ein Osmose-Problem.
Schritt für Schritt
Es sieht so aus, als würden wir uns nun in eine Kombination der folgenden Arbeiten stürzen:
- Das Abschleifen des gesamten Schiffes, entweder bis auf den Gelcoat oder bis auf den GFK. Das kommt darauf an, was wir während dem Abschleifen finden.
- Der Neuaufbau vom Gelcoat und / oder der Neuanstrich inkl. Antifouling und Anti-Rutsch. Das Antifouling ist die letzte Schicht beim Unterwasseranstrich, die den Bewuchs mit Meeresorganismen verhindert.
2. Die Erneuerung der Süsswassertanks
Das ebenfalls schon vor dem Kauf bekannte Problem der gerosteten Schweissnähte unserer Wassertanks aus rostfreiem Stahl, müssen wir dringend angehen, da das Ganze im letzten Jahr noch weiter gerostet hat. Damit wir richtig an die die Tanks rankommen, müssen wir vermutlich die halbe Küche ausbauen. Ob wir dabei die Tanks komplett ausbauen und durch Plastiktanks ersetzen oder eine Lösung ohne kompletten Austausch der Tanks werden wir vor Ort anschauen müssen.
3. Der Unterhalt der Takelage
Das dritte Projekt im Bunde beinhaltet
- den Ersatz der Wanten und Stage (die Stahlseile, die den Masten in Position halten),
- die Inspektion der Püttinge (Beschläge, an denen die Stahlseile befestigt sind), sowie
- das Mastlegen und -setzen (den Masten aus dem Schiff nehmen und wieder reinstellen) für Inspektion und ggf. Revision.
Für den Ersatz der Wanten und Stage muss alles genau ausgemessen und bestellt werden. Wir aktuell noch in der Diskussion, ob wir anstatt Stahlseile neu Dyneema (eine synthetische Chemiefaser) verwenden wollen und sind bereits in Kontakt mit Spezialisten.
Wir sind aber noch nicht sicher, ob wir zuerst den Anstrich angehen sollten und dann die Wassertanks. Oder lieber erst alles abschleifen, die Schiffshülle trocknen lassen, währenddessen die Tanks erneuern, und dann streichen. Oder alles gleichzeitig. Oder später anfangen und alles andere zuerst machen. Oder zusammenbrechen und die Hoffnung verlieren. Wir werden es sehen…
Es kommt (vielleicht) noch mehr
Dazu haben wir noch weitere Projekte identifiziert, die je nach dem zu grossen Projekten werden könnten:
- Einbau von Prüffenstern im Dieseltank und Tankstandanzeige,
- Inspection of the propeller shaft and all that comes with it, since we have observed some corrosion after the haul-out,
- Überprüfen, ob wir ein Problem mit Streustrom haben, da unsere Opferanode viel zu schnell aufgefressen wurde. Streustrom ist Strom, der ausserhalb des vorgesehenen Stromkreislaufs fliesst und kann für Material wie Menschen gefährlich sein.
Neue vs. alte Opferanode Die neue Opferanode ist schon ziemlich angefressen
Sicherheit geht vor
Zudem müssen wir zu unserer eigenen Sicherheit ein Rettungsboot und AIS (Automatisches Identifikationssystem) installieren, sowie die aktuell nur manuell funktionierende Bilgenpumpe auf eine automatische upgraden und noch ein paar mehr hinzufügen.
Wichtig, aber nicht dringend?
Und dann gibt es natürlich noch einige Neuanschaffungen, Installationen und Projekte, die nicht erste Priorität haben, wir aber dennoch gerne angehen möchten:
- Ersatz der Vakuumtoilette in der Heckkabine durch eine Kompost-Toilette
- Leinenführung der Reffleinen und des Grossfalls in das Cockpit
- Ein neues Dodger (das bestehende ist genau auf Sichthöhe und nicht mehr wasserdicht) und ein Bimini
- Installation einer Dusche inkl. Abwasserpumpe
- Ein neuer Gasherd
- Neue Cockpit-Kissen und ein Lazy Bag
- Ein Leichwindsegel
- Installation eines Windmessers
- Motorenservice, u.a. Ersatz einiger Dichtungen
- Inverter anschliessen, damit wir nicht nur 12V Strom haben, sondern auch 110V (unser Schiff ist eine Amerikanerin) um unsere Elektrogeräte wie Laptops, Tablets, Handys laden zu können.
- und viiiiiiiieles mehr
Für die gesamte Renovation haben wir ca. 6 Monate eingeplant – das Ziel ist also, im Juli wieder im Wasser zu sein. Achtung, fertig, los!
Kann ich euch helfen?
Ja klar – wer Zeit und Lust hat, darf uns gerne in Mexiko besuchen. Wir sind für jede Hilfe dankbar und freuen uns über jeden Besuch – sei es auch "nur", um das Schiff in Echt zu begutachten und mit uns ein Bier zu trinken. Du kannst uns auch einfach nur beim Arbeiten zuschauen und dir eine gute Zeit machen.
Und wann geht es nun los?
Der Countdown läuft – unsere Flüge sind gebucht! Am 12. Januar 2021 geht es definitiv los, diesmal über Zürich – Frankfurt – Mexiko City – Hermosillo nach Puerto Peñasco. Wir hoffen bloss, dass uns Covid-19 nicht wieder einen Lockdown und somit gestrichene Flüge beschert.
Wie wir die Zeit in der Zwischenzeit nutzen? Darüber berichten wir nächste Woche.
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3 Comments
Thomas
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Patricia
Hi Thomas, it’s nice to read of you. Are you a member of the KP mailing list? It would be great to keep in touch with you!
David
Hey Thomas! Cool to hear from another KP44 owner! Do you mind shooting us a couple of pics of your boat to hello@milagros.ch?