Der Elefant im Raum

Ja, das war schön. Einfach mal das Seglerleben geniessen, die Seele baumeln lassen. Weit und breit kein Dreck, Staub und Abfall, kein Lärm von Dünen-Buggys. Kein Druck, am Morgen aufzustehen und gleich an die Arbeit zu gehen. Leider war das Lotterleben nun vorbei. Wir mussten zurück nach Puerto Peñasco. Zurück zu Milagros, um uns wieder in unseren die hintersten Ecken unserer Baustelle zu stürzen. Denn schliesslich wollen wir auch mal die hintersten Ecken der Sea of Cortez erkunden können. Zeit ist Geld! Es ist schon Juni!

Der Mast eines Kelly Peterson 44 Blauwasser Segelschiffs

Am Ankerplatz in San Carlos waren wir bald einmal damit beschäftigt unsere Rückreise vorzubereiten. Es herrschte geschäftiges Treiben auf der Anila. Wir packten unsere Siebensachen und die anderen beiden bereiteten ihr Schiff fürs Auswassern auf den Boatyard in San Carlos vor. Während es für uns nur zurück in den Rocky Point Boatyard nach Puerto Peñasco ging, flogen Carmen und Iñaki schon bald um den ganzen Erdball nach Hause in die Schweiz zum Arbeiten.

Es könnte doch so einfach sein

Der Plan wäre ja eigentlich gewesen, mit Anila in Puerto Peñasco einzulaufen. Auch der Platz direkt neben Milagros war schon reserviert. Leider wurde dieser Idee der Garaus gemacht. Wir hatten noch viel Material aus der Schweiz auf Iñakis und Carmens Schiff. Küchenutensilien, unzählige Bücher, Schnorchelausrüstung, die Liste war lang. Das ganze Zeug mussten wir nun irgendwie nach Puerto Peñasco bringen. Also hiess es zusammenpacken.

Wieder unterwegs

Am Tag unserer Abreise füllten wir Anilas süsses kleines Beiboot bis zum Gehtnichtmehr mit unseren Reisetaschen und all dem Zusatzgepäck. Es war früh am Morgen, denn der Bus fuhr um 10:30. Wir hatten schon am Vorabend ein Taxi bestellt, das pünktlich erschien. Verrückt. Pünktlichkeit sind wir uns schon gar nicht mehr gewohnt. 😛 Mit unserem bescheidenen Spanischkenntnissen unterhielten wir uns mit dem Fahrer über das Leben in Mexiko. Obwohl wir das Gefühl haben, dass unser Spanisch nach wie vor grauenhaft ist, zeigte er sich höchst beeindruckt von unseren Fortschritten in den 4 Monaten, die wir in seinem Heimatland verbracht haben.

Es ist schon wieder etwas passiert!

Unsere Busreise sollte uns von San Carlos nach Hermosillo bis nach Puerto Peñasco bringen. Und das alles ohne umzusteigen. An der Bushaltestelle angekommen dann aber der Tritt ans Schienbein. Der Bus fuhr 10:30 abends, nicht morgens. Haha, lustig. Was nun? Wieder kam unser Spanisch zum Einsatz. Die freundlichen Mitarbeiter an der Bushaltestelle schickten uns einen Strassenzug weiter zu einem anderen Busunternehmen, das stündlich nach Hermosillo fuhr. Ein Mitarbeiter half uns sogar mit unserem Gepäckberg.

Pati und Dave sitzen im Albatros Autobus nach Puerto Peñasco
Auf geht's!

Wieder zuhause

Die Busfahrt und das Umsteigen in Hermosillo verliefen dann ohne weitere Probleme. Auch auf den Militärcheckpoint waren wir schon vorbereitet. Einmal das ganze Gepäck ausladen, durch den Scanner und wieder in den Bus. Als es schon dunkel war, fuhr der Bus aus der Wüste in die Strassenzüge von Puerto Peñasco ein. Lustig, es fühlte sich tatsächlich an wie zu Hause ankommen. Die Stadt ist wahrlich keine Schönheit, aber wir haben sie trotzdem liebgewonnen. Hier haben wir alles was wir für tägliche Leben brauchen. Alles andere liefert Amazon an die Grenze.

Alles so anders und trotzdem gleich

Als wir durchs Tor auf den Trockenplatz traten sah alles so anders aus. Neue Schiffe waren angekommen, andere waren verschwunden oder standen an einem anderen Platz. Auf Milagros war alles gut. Da stand sie in ihrer Ecke. Die Abdeckungen waren noch dran, Wüstensand überall. Als wir die Abstiegsluke zum Salon öffneten, stieg mir sofort wieder der typische Milagros-Geruch in die Nase. Das roch nun wirklich nach zu Hause. Ein tolles Gefühl, wie bei unserer Ankunft im Januar. Wir freuten uns schon auf unser riesiges, bequemes, eigenes Bett.

Wohnen auf dem Segelschiff
Wir ziehen zum zweiten Mal ein

Ran an die Arbeit

Am nächsten Tag gings auch schon wieder los. Nach den Kommunikationsproblemen bei der Arbeit an unserer Hülle inspizierte ich zuerst einmal den Anstrich. Alles halb so schlimm wie erwartet. Nach Absprache mit Salvador, dem Platzchef, entschieden wir uns, die ganze Hülle einfach nochmal sauber zu schleifen. Gesagt, getan, und nach ein paar Stunden freudiger, staubiger Schleiferei in der Hitze haben wir nun eine wunderbare Oberfläche. Die Spritzarbeit für die weiteren Farbschichten wollen wir trotzdem den Arbeitern vom Boatyard anvertrauen.

Tierheim Milagros

Eines Morgens kam wieder einmal das Milagros Tierheim zum Einsatz. Einem Nachtwächter war ein kleiner Hund mit glitzerigem rosa Halsband zugelaufen. Er musste wohl irgendwo ausgebüxt sein. Wir entschieden uns, den kleinen Kerl bei uns in Obhut zu nehmen und nach einem kleinen Fotoshooting machten wir uns sofort daran, auf Facebook den Besitzer ausfindig zu machen. Die kleine Hündin schien allerdings etwas dagegen zu haben, auf einem Boatyard festzusitzen. Ihr Haute Couture Glitzerhalsband wäre ja ganz dreckig geworden. So biss sie sich gekonnt durch ihre Leine und spazierte von dannen.

Ausbruchskünstlerin Canela

Da es schwierig geworden wäre, den Hund den ganzen Tag im Auge zu behalten, übergaben wir ihn wieder dem Wächter. Bei ihm dasselbe: Sie biss sich durch ihre Leine und machte sich aus dem Staub. Diesmal aber wirklich, denn der Wächter konnte sie nicht mehr finden. Natürlich meldete sich just in diesem Moment die Besitzerin des Hundes mit Namen, Fotos und Videos. Die Hündin hiess «Canela» (Zimt) und war anscheinend tatsächlich eine Ausbruchskünstlerin. Der Besitzerin konnte ich nur noch den Tipp geben, sich in der Umgebung des Cabrales Boatyard umzusehen.

Gute Neuigkeiten!

Es ging nicht lange, als wieder eine Nachricht der Besitzerin auf meinem Handy aufleuchtete. Sie hatte ihren Hund dank unserer Infos tatsächlich gefunden! Das war schön. Besonders Besonders nach unserer Erfahrung mit dem Wellensittich waren wir froh, dass es Canela nach Hause geschafft hat. Anscheinend waren wir doch keine Todesengel. So konnten wir uns beruhigt wieder der Arbeit am Schiff widmen. Pati installierte den neuen Wasserhahn mit Duschkopf im vorderen WC und wir besorgten Material und Lasur für ein paar Holzarbeiten bei unserem Lieblingsladen “Todo para el Carpintero”. Dies natürlich nicht ohne ein paar Extrafahrten, weil der Farbton den wir ausgesucht hatten hinten und vorne nicht stimmte. Im Westen nichts Neues. Unser neuer Force 10 Gasofen lässt grüssen..

Alegria sind zurück

Auch war es endlich Zeit für den Elefant im Raum. Unser Mast musste runter. Dies, nachdem wir bereits 2 oder 3 Anläufe genommen, es aber nie durchgezogen hatten. Den Mast vom Schiff zu nehmen war ein ziemlich grosses Unterfangen. Der Boatyard musste mit einem Kran und einer ganzen Mannschaft von Arbeitern zu Milagros kommen. Aber zuerst hatten wir Wichtigeres zu tun. Wir mussten unsere Freunde Mike, Katie und ihren Hund Rosco auf SV Alegria. Nach zwei Monaten auf hoher See waren sie wieder zurück für eine Sommerpause. Also raus aus dem Wasser und auf den staubigen Trockenplatz direkt neben uns, wo eigentlich Anila hätte stehen sollen.

So machts doch gleich viel mehr Spass

Unser Mastprojekt erforderte viel Vorbereitung und ein klares Vorgehen. Zuerst musste mal der Baum vom Schiff. Da Mike und Katie sowieso unsere neuen Nachbarn waren, halfen sie uns gleich. Eine schnelle und schmerzlose Aktion. Marga von unserem Kelly Peterson 44 Schwesterschiff Dogfish griff uns bei den restlichen Vorbereitungsarbeiten unter die Arme. Wir können gar nicht mehr zählen, wie oft sie uns schon geholfen haben. Danke Rosco, danke Mike, danke Katie, danke Marga! <3

Fertig lustig. Jetzt war der Mast dran!

Es ging darum, unseren Mast und seine Abstützungen bestmöglich zu tunen, alles fotografisch zu dokumentieren und zu markieren, wie die Einstellungen des Riggs sind. Mit all diesen Informationen sollte es danach möglich sein, von einer Firma ein komplett neues Set von Stahlseilen für die Mastabstützungen bauen zu lassen. Das ist durchaus ein grosses Projekt. Und ein wichtiges, denn der Mast und seine Abstützungen sind dafür verantwortlich die Kräfte der Segel zu bündeln und korrekt zu "verarbeiten". Und diese Kräfte sind enorm. Wir müssen dieses Projekt mit Respekt und der grösstmöglichen Gewissenhaftigkeit angehen. Alles andere wäre fatal.

Alles ist bereit!

So zog ein ganzer Nachmittag ins Feld. Marga schwitzte sich mit uns in der brütenden Hitze durch alle notwenigen Vorbereitungsarbeiten. Wir experimentierten auch ein wenig herum. Was passiert, wenn wir das Stahlseil hier lockern? Was, wenn wir den Mast in die Mitte ziehen? Wie reagieren all die verschiedenen Komponenten aufeinander? Alles wichtige Lernprozesse für uns alle und wir beschäftigten uns zum ersten Mal intensiv mit dieser ultrawichtigen Materie. So vergingen die Stunden. Und irgendwann war alles bereit. Wir waren nur noch eine Nachricht an Salvador davon entfernt, unseren Mast zu legen. Uaaahhh…

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