Das Panama-Dilemma

Direkt im Anschluss an Hürzi und Chrigi durften wir unseren nächsten Gast - Juli aus der Schweiz – begrüssen. Mit ihm wollten ursprünglich wir weiter Richtung Süden bis mindestens Acapulco segeln. Doch wie wir uns das bereits gewohnt sind, kam alles anders.

Nachdem Hürzi und Chrigi abgereist waren, entschieden wir uns spontan dazu, mit Milagros für zwei Tage den Komfort einer Marina zu geniessen. Die Marina La Cruz hatte zum Glück ein Plätzchen für uns frei und wir konnten schon am nächsten Morgen einziehen. Mit unserem Dinghy kundschafteten wir den Liegeplatz vorher rasch aus, damit wir bei der Hafeneinfahrt wussten, was uns erwarten würde. Bei dieser Gelegenheit sahen wir, dass Pete von SV Mazu auf seinem Schiff sein musste. Er war sofort bereit, uns mit den Leinen zu helfen. Denn Andocken in Marinas ist nach wie vor etwas, wovor wir Respekt haben – vor allem Mangels Übung.

Marina Time

Wir wechseln bei jedem Trip mit der Rolle des Kapitäns ab und diesmal war David an der Reihe. Für ihn war es erst das zweite Andockmanöver in einer Marina. Aber alles ging gut, Pete und sein Freund Jay halfen mit den Leinen und Milagros war kurz darauf heil am Dock festgemacht. Wir nutzen diese zwei Tage, um Juli in Empfang zu nehmen und Milagros eine Süsswasserdusche zu gönnen.

Hallo Ron

Während wir Hürzi und Chrigi zum Taxi gebracht hatten, stiessen wir fast mit Ron von SV Mar de Luz zusammen. Ihn hatten wir Monate zuvor bei unserem Trip von der Bahia Conception zu der Isla San Marcos über Funk kennengelernt und wieder in San Carlos angetroffen, als wir Milagros für die Einwasserung bereit machten. Wie es halt so ist – man trifft sich immer mindestens zwei Mal in der Seglercommunity. Bei einer guten Pizza tauschten wir uns über all unsere Erlebnisse seit dem letzten Treffen aus.

Abendessen mit Ruby & Ron

Ein Problem

Wir hatten aber immer noch ein Problem. Wir befanden uns an einem Punkt, an dem wir eine finale Entscheidung treffen mussten. Panama ja oder nein. Bis nach Panama waren es noch 1'700 Seemeilen (ca. 3'200 km) und wir mussten innerhalb von 6 Wochen im rund 1'000 Seemeilen entfernten Chiapas sein, denn die Hurrikan-Saison stand vor der Tür. Das war also ein ganz schön strenges Programm. Ausserdem kam langsam die Zeit, wo die Winde von Norden nach Süden drehten – und gegen Südwind zu motoren ist nicht unbedingt vergnügungssteuerpflichtig. Und unsere Segelmotivation war wohl gerade irgendwo bei einem Strandspaziergang, deshalb konnten wir sie vermutlich gerade nirgends finden. Doch mit Juli hatten wir die kommenden 20 Tage Crew, um einen Teil dieser Distanz zurückzulegen. Das bedeutete aber auch, dass wir viele schöne Orte auslassen mussten. Doch wollten wir diesen Weg mit einer krummen Antriebswelle in Angriff nehmen?

Ja oder nein?

Auf der anderen Seite war für uns die Entscheidung, Panama abzusagen auf gleichbedeutend mit Versagen: Wir haben es nicht aus Mexiko rausgeschafft, ein Rückschritt. Und wir werden nicht mit meiner Schwester Carmen und Iñaki und ihrer Anila in Panama segeln – schon wieder nicht. Denn sie wollen im kommenden Januar den Pazifik überqueren. Wenn wir also jetzt umdrehten, konnten wir den nächsten Anlauf Richtung Süden erst im Oktober starten und kämen dann wohl zu spät in Panama an. Ausser wir würden die gesamte Strecke quasi am Stück runterrauschen, was in 2-3 Wochen machbar wäre. Aber dann würden wir wieder all die schönen Orte in Mexiko, Guatemala, El Salvador und Costa Rica auslassen müssen. Und dann war da noch die Frage: Wenn wir umdrehten, wo würden wir denn hingehen? In La Cruz bleiben? Nach Mazatlán oder wieder nach San Carlos oder Guaymas?

Eine Entscheidung musste her

Es war zum Haare ausreissen. Fragen über Fragen und wir konnten uns einfach nicht entscheiden. Seglerfreunde, die sich in einer ähnlichen Situation befanden, brachten es ziemlich genau auf den Punkt: Wir waren so entscheidungsfreudig wie ein 15-jähriger Teenager. Wir diskutierten diese Fragen mit verschiedensten Leuten und hörten tief in uns hinein. Wir kamen nach Wochen von hin und her zum Schluss, dass sich die Vorstellung, nach Panama zu segeln, im Moment einfach nicht richtig anfühlt.

Irgendetwas hielt uns davon ab, unseren Blick in Richtung Panama zu wenden und ‘Ja, wir kommen’ zu sagen. Also trafen wir schweren Herzen die Entscheidung umzudrehen. Leider führte auch dieser Entscheid nicht dazu, dass unsere Motivation zurückkehrte. Am liebsten hätten wir die Saison sofort beendet und Milagros in La Cruz für den Sommer stehen lassen. Aber wir hatten ja noch unseren Gast an Bord, als rafften wir uns auf und starteten mit ihm unsere Reise Richtung Norden. Zwar hatten wir noch kein Ziel, aber der nächste Flughafen war in Mazatlán und so entschieden wir uns, mit Juli dorthin zu segeln.

Chacalakka

Nach einem Zwischenstopp in Punta de Mita segelten wir zur Caleta de Cuevas, die sich ums Eck von Chacala befindet. Wir waren das einzige Schiff in dieser kleinen Bucht. Leider konnten wir mit dem Dinghy wegen den Wellen nicht am Strand landen, deshalb setzte ich David und Juli kurz davor ab und holte sie nach ihrer Erkundungstour wieder dort ab. David hatte unterwegs einen Mahi Mahi gefangen, deshalb verwöhnten wir uns mit frischem Sashimi und Poké Bowls zum Znacht. Am nächsten Tag segelten wir weiter nach Chacala und genossen das kleine Strandparadies bei einer Margarita oder zwei. Den zweiten Teil vom Mahi Mahi genossen wir in Form von Sushi. Mmmmmmh.

Die Bucht von Matanchen

Mit einem guten Wetterfenster segelten wir gleich am nächsten Tag weiter nach Matanchen. Das Spezielle an dieser riesigen Bucht vor San Blas war, dass sie wahnsinnig flach war. Schon einige Seemeilen entfernt Betrug die Wassertiefe nur 10 Meter. Dennoch hüteten wir uns davor, zu nahe am Ufer zu ankern. Von verschiedensten Seiten wurden wir von den kleinen, hinterhältigen Biestern namens Jejenes (Gnitzen) gewarnt. Die bloss 1mm kleinen Insekten dringen durch alle Netze durch und deren Bisse jucken tagelang. Zum Ankerbier dazu genossen wir ein feines Moitié-Moitié Fondue, das Juli aus der Schweiz mitgebracht hatte.

Eine interessante Anomalie

In den darauffolgenden Tagen erkundeten wir das kleine Dörfchen San Blas. Wir parkten das Dinghy jeweils bei einer Art Restaurant am Strand. Man konnte dort Tische für den Tag mieten, und man Getränke und Essen bestellen. Weshalb man den Tisch noch dazu mieten muss, haben wir nicht herausgefunden.

Und wir stiessen auf ein interessantes Hindernis. Die Zeit auf unseren Handys spielte verrückt. Zu einem Zeitpunkt zeigten unsere 3 Telefone 3 verschiedene Zeiten an. Ein Teil war schnell erklärt: Fast ganz Mexiko hatte ein paar Wochen zuvor die Sommerzeitumstellung abgeschafft und schienen das dem Internet nicht mitgeteilt zu haben. Als wir nämlich das allmächtige Google fragten, welche Uhrzeit denn in San Blas gerade sei, lag es falsch. Und wenn es Google nicht weiss, wie sollen es dann unsere Handys wissen? Woher die dritte angezeigte Zeitzone herkam, konnte wir aber nicht erklären.

Sollen wir?

Gerade in San Blas ist es wichtig, die genaue Uhrzeit zu wissen. Denn in die dortige Marina musste man bei strömungslosem Wasser, also auf dem Höhepunkt der Flut, kurz bevor es auf Ebbe wechselt einen Fluss hinauf einfahren. Und wir erwogen, mit Milagros entweder ein paar Nächte in der dortigen Marina zu verbringen oder zumindest davor umgeben von Mangroven zu ankern. Doch nach einem Besuch der Marina stellte sich heraus, dass es weder in noch vor der Marina freie Plätze hatte.

Eine Dschungeltour

Eines der Highlights unseres Aufenthalts dort war eine Dschungeltour mit einer Panga. Wir entschieden uns, nicht am üblichen Ort einzusteigen – also dort wo alle Touristen die Tour buchen – sondern weiter flussabwärts. So mussten wir nicht in ein vollbepacktes Böötchen steigen, sondern teilten es nur mit einer kleinen Familie. Die dreistündige geführte Bootstour führte uns durch die Flussmündung und die Mangrovensümpfe zu einem natürlichen Pool an der La Tovara-Quelle. Entlang des Flusses sahen wir bis zu 4m lange Krokodile, Schildkröten und diverse Vögel. Der Fahrer war unglaublich gut darin, verschiedenste Wildtiere schon von weit weg zu sichten. Eine Eule zum Beispiel sah aus wie ein Ast, und war nur schwer zu erkennen.

Landschaftliche Veränderung

Es war auch spannend zu sehen, wie sich die Landschaft nach und nach veränderte. Zu Beginn mussten wir immer wieder herunterhängenden Mangrovenästen ausweichen, denn dieser Teil war nicht so touristisch, und deshalb machte sich auch niemand die Mühe, alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Als wir den Tourieinstieg passiert hatten, vom welchem aus zig vollbepackte Pangas starteten, waren die Mangroven zurückgeschnitten und gepflegter. Als der Salzwasseranteil immer geringer wurde, verschwanden die Mangroven nach und nach und machten Bäumen, Büschen und Palmen Platz.

Lokale Spezialitäten

An der La Tovara-Quelle befand sich eine Krokodill-Zucht und eine Art Wildtierauffangstation. In gewissen Gehegen stapelten sich praktisch kleine Krokodile und man konnte diese imposanten Kreaturen von nah betrachten. Ausserdem konnte man in einem abgesperrten Bereich vor Krokodilen geschützt im Fluss baden. Juli und David liessen sich dies natürlich nicht entgehen. Danach verwöhnten wir uns kulinarisch mit Pescado Zarandeado, einem typischen Fischgericht aus der Region, das über dem Holzfeuer gegart wird.

Das Fort

Während wir auf eine passendes Wetterfenster warteten, um weiter Richtung Norden zu segeln, besichtigten wir auch die 1760 erbaute Festung, die sich auf dem Gipfel des Cerro de Basilio in San Blas befindet. Es ist eine der wichtigsten historischen Stätten im Staat Nayarit; im alten Neuspanien war es ein Marinestützpunkt, und im Unabhängigkeitskrieg sowie im Krieg gegen die Vereinigten Staaten war es ein Schlachtfeld.

Der Tempel

Daneben befindet sich der "Templo de la Virgen del Rosario". Die Jungfrau des Rosenkranzes war die Schutzpatronin der spanischen Marine und wurde besonders verehrt in der Stadt Cádiz in Andalusien, dem Hafen, aus welchem die Schiffe traditionell nach Neuspanien ausliefen. Da San Blas der wichtigste Pazifikhafen für die spanische Krone war, wurde die Verehrung "Señora del Rosario" übernommen. Sie wurde liebevoll "La Marinera" (Die Seefahrerin) genannt und kümmertes sich um die Missionare, die es wagten, das Land von Alta und Baja California zu erobern, sowie um die aus dem Fernen Osten kommenden Handelsgaleonen. Wir besichtigten auch den danebenliegenden Friedhof und bewunderten die liebevoll gestalteten Gräber. Einige hatten sogar Überdachungen mit Sitzmöglichkeiten, um den Verstorbenen richtig Besuch abstatten zu können.

Ein bisschen Spass muss sein

Aber das wirkliche Highlight unseres San Blas Aufenthaltes für David und Juli waren sicher die Jet Skis. Die beiden mieteten sich zwei Gefährte und machten damit die Ankerbucht unsicher. Das war so wie mit dem Dünenbuggy in Puerto Peñasco. Wenn man nicht selbst fährt, nerven sie einfach nur. Aber selbst damit zu spielen, macht einen Heidenspass.

Auf Kollisionskurs

Mit dem passenden Wind konnten wir dann endlich weitersegeln und steuerten erneut die Isla Isabel, das Galapagos von Mexiko, an. Auf dem Weg sahen wir ein interessantes Muster im Wasser: eine braun schäumende Linie, auf der einen Seite mit dunklem Wasser, auf der anderen Seite mit blauem Wasser. Es schienen zwei verschiedene Strömungen zu sein, die dort aufeinandertrafen. Plötzlich rief mir David zu, dass ich das Schiff stoppen und abdrehen muss, denn da vorne vor uns sei etwas das aussah wie ein Stein. Es stellte sich zum Glück heraus, dass es ein Walhai war, der friedlich auf der Strömungslinie am Futtern war. Ein Stein hätte uns sehr gewundert, aber wir wollten auch ganz sicher nicht einen Wal rammen. Das Exemplar hier war zwar nicht ausgewachsen, war aber dennoch 7 Meter lang, also etwa halb so lang wie unser Schiff. Wir drehten ein paar runden um dieses majestätische Tier. Es war der erste, den wir je live gesehen haben.

Isal Isabel

Den ganzen Weg nach Isabel drückten wir uns selbst die Daumen, dass es diesmal Platz für uns in der Ankerbucht hatte. Das letzte Mal hatten wir nämlich mangels Platzes weiterziehen müssen. Doch es sah gut aus und wir konnten unseren Anker an bester Lage in einen dort seltenen Flecken Sand werfen. Bei Tagesanbruch am nächsten Morgen fuhren wir mit dem Dinghy zum Strand und spazierten den gut gekennzeichneten Wegen entlang.

Auf der Insel wimmelte es nur so von brütenden Blaufusstölpeln und Fregattvögeln. Mangels natürlicher Feinde waren die Nester überall am Boden und auf niedrigen Bäumen verteilt. Wir konnten bis auf 1-2 Meter an die Vögel ran und sie von Nahem betrachten. Den Nachmittag verbrachten wir mit Schnorcheln rund um die grossen Felsen an der Ostseite der Inseln. Für mich war es das erste Mal Schnorcheln in dieser Saison. Auf der Baja-Seite zu Beginn der Saison war es schlichtweg zu kalt und dann am mexikanischen Festland war das Wasser immer trüb.

Bye bye Juli

Diese Momente bei der Isla Isabel hoben unsere Segelmotivation beträchtlich an, denn genau so stellen wir uns das vor. Kleine, ruhige, abgelegene Ankerbuchten mit wenigen oder keinen Schiffen und klarem Wasser. Kein Pazifikschwell, keine Bandas am Strand, kein Milchsuppenwasser. Leider hatten wir nur 24h Zeit dort zu Verfügung, den wir mussten weiter, damit Juli seinen Flug erreichen konnte. Eine Nachtfahrt später waren wir auch schon zurück in Mazatlán. Dort feierten wir Julis’ letzten Tag mit einem Ausflug ans andere Ende der Stadt, einem kleinen Coverrock-Konzert und einer Ostersonntags-Party am Strand.

Juli’s Fazit

Er war begeistert von den vielen Tieren, die wir beobachten konnten, den vielen tollen Leuten, die wir getroffen hatten, den Siedler-Partien und dem Jet Ski fahren. Der einzige Wehmutstropfen war, dass er gerne mehr und auf längeren Schlägen unterwegs gewesen wäre. Alles in allem also ein ziemlich gelungener Segeltrip.

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