Wie man das beste aus Covid-19 macht

Die einzige Konstante ist die Veränderung. 2020 wird als sehr spezielles Jahr in die Geschichte eingehen. Wer hätte gedacht, dass die Vorbereitungen auf unsere Segelreise von einer weltweiten Pandemie gestoppt werden? Covid-19 erreicht die hintersten Winkel des Planeten. Wir machen trotzdem das Beste draus.

Der Planungsmarathon bis zur Abreise

Nach unserer Rückkehr aus Mexiko, begannen die letzten Vorbereitungen für unser Abenteuer, das im Mai 2020 beginnen sollte. Der Plan war, dass wir uns alle vier in der ersten Maiwoche bei Milagros treffen und das Schiff so schnell wie möglich abreisebereit machen. Wir wollten das Schiff nach Guaymas in den Golf von Kalifornien bringen, da Carmen und Iñaki dort ab Mitte Februar bereits ihr Schiff, das inzwischen Anila hiess, auf Vordermann brachten. Das Ziel war, Milagros dort ebenfalls auszuwassern um all die nötigen Jobs zu erledigen und Upgrades einzubauen. Danach wollten wir uns in der Baja California vor den Hurrikans "verstecken" und in der wundervollen Landschaft mit unseren Schiffen trainieren.

Beeilung!

Da die Hurrikansaison im östlichen Pazifik etwa vom 15. Mai bis 30. November dauert, wollten wir deshalb die rund 10-tägige Überfahrt von Ensenada nach Guaymas so schnell wie möglich hinter uns bringen. Das bedeutete: alles musste top vorbereitet sein, so zum Beispiel unsere Steuerkabel. Wir hatten nämlich über Weihnachten entdeckt, dass diese an einigen Stellen nicht mehr ganz in Ordnung waren; damit wollten wir nicht segeln. Also haben wir Raul gebeten, die Kabel zu demontieren und in die USA zu schicken, um von Colligo Marine neue Kabel aus Dyneema, einer synthetischen Chemiefaser auf der Basis von Polyethylen und fünfzehnmal zugfester als Stahl, herstellen zu lassen. Das Vorhaben war leider weniger erfolgreich als erwartet, aber dazu später mehr.

To-Do’s noch und nöcher

Auch zuhause musste Einiges erledigt werden. Auf der schier endlos langen Liste standen Dinge wie: Wohnung künden und auflösen, Jobs künden, ein Plätzchen für unsere Katzen finden, alle notwendigen Prüfungen und Dokumente für den Hochseeschein erlangen, Abschiedsfest organisieren, neue Pässe machen, Flüge buchen, Palette nach Mexiko schicken, diverse Baumaterialien und Werkzeuge in den USA bestellen und so weiter.

Die Unplanbarkeit des Seglerdaseins

Mitten in den letzten Vorbereitungen zeichnete sich jedoch ab, dass uns COVID-19 einen gehörigen Strich durch die Rechnung machen würde. Die Unplanbarkeit des Seglerlebens begann also schon in der Schweiz. Zwangsläufig legten wir unseren Plan vorerst mal auf Eis – mit einem weinenden und einem lachenden (ja, wirklich!) Auge. Obwohl wir natürlich enttäuscht waren, dass das Abenteuer noch nicht losgehen konnte, sahen wir die vielen Vorteile, die daraus entstanden. Da wir unsere Wohnung im Januar 20 bereits aufgelöst hatten und zu meinen Eltern auf den Bauernhof gezogen sind, standen wir auch nicht ohne Dach über dem Kopf da.

Unsere Freundin Rahel hat einige tolle Gesichtsmasken mit einem traditionellen Schweizer Muster gemacht <3

4 Vorteile einer verzögerten Abreise

Freunde und Familie

Unverhofft konnten wir noch einen ganzen Sommer mit Freunden und Familie verbringen. Einige gestanden uns sogar, dass sie eigentlich ganz froh waren, dass wir nicht verreisen konnten.

Während des Lockdowns Siedler von Catan spielen mit unseren Freunden von New Kids On The Pond

Wir haben einige wirklich schöne Sommerwochenenden in unserem zweiten Zuhause verbracht, einem stationären Wohnwagen neben einem Fluss in St. Ursanne.

Corona Konformität ist sichergestellt

Das mit dem Sommer geniessen stellte mich aber dennoch vor einige Hürden, so waren alle Bikinis (ausser eines) bereits auf dem Schiff und meine Sandalen so gut verstaut, dass ich Schuhe von meiner Mutter ausleihen musste als es das erste Mal richtig heiss wurde. It’s a hard knock life for Pati.

Geld

Hier gilt halt: mehr ist mehr. Ich konnte meinen Job bei Weleda um 3 Monate (und dann nochmals um 6 Monate bis Ende 2020) mit einem auf 60% reduzierten Pensum verlängern. Auch David konnte sich mit seinem Arbeitgeber auf eine Weiterbeschäftigung bis Ende 2020 einigen. Und alles, was wir jetzt verdienten, war mehr als geplant.

Vorbereitung

Diese ausserplanmässigen Monate in der Schweiz gaben uns zusätzliche Möglichkeiten für die Vorbereitungen. So konnte auch David noch alle notwendigen Prüfungen für den Hochseeschein machen, was ursprünglich nicht geplant war.

As part of our preparations we trained our sailing skills
Preparation of a proper navigation on paper is a key skill
Navigation auf Papier üben für den Hochseeschein
Segeln ist harte Arbeit!
Segeltraining auf einem 8m Boot auf dem Thunersee

Zeit

Durch Pensumsreduktion, Home-Office und Lockdown hatte ich unerwartet viel Zeit für Dinge, für welche ich vorher eben keine Zeit (mehr) hatte – so konnte ich uns z.B. Werkzeugtaschen für Ringgabelschlüssel nähen (und mir selbst ein Kleid). Daneben genoss ich das Bauernhofleben: Konfitüre aus den eigenen Kirschen und Zwetschgen machen, mich um den Hofladen kümmern und meine Kombucha-Zucht erweitern, und noch vieles mehr.

Und was war mit Milagros?

Tja, unser Schiff das stand in Mexiko. Wir hatten zum Glück mit Raul jemanden zuverlässiges gefunden, um nach dem Rechten zu schauen. Regelmässige Fotos und Updates gehörten dazu. Es ist nur nicht ganz einfach, alles mit Sprachbarriere und Zeitdifferenz von der Schweiz aus zu organisieren. Wieso genau können wir sehr anschaulich am Beispiel unserer Steuerkabel erklären.

Haben wir nun neue Steuerkabel?

Wir gaben Raul den Auftrag, unsere Steuerkabel zu fotografieren, auszumessen, zu demontieren, und mit FedEx an Colligo Marine in den USA zu schicken. So weit so gut. Die originalen Steuerkabel aus Stahlseilen trafen bei Colligo ein und die neuen Kabel aus Dyneema sollten gemäss der Offerte auf Basis der Vermessungen und Fotos von Raul hergestellt werden. Dann fiel aber Colligo auf, dass irgendwie ein Teil fehlen musste, da die Einzelteile des Kabels nicht recht zusammenpassen wollten. Ups – da war wohl ein Teilstück vergessen gegangen. Das musste dann Raul mit FedEx nachschicken. Als dann das fehlende Teil da war, waren die neuen Kabel rasch fertig und per UPS wieder unterwegs nach Mexiko.

Eine mittlere Katastrophe!

Dann kam es wie es kommen musste: das Paket ging verloren. Eine mittlere Katastrophe! Nicht nur die neuen Kabel, sondern auch die alten waren im Paket. Wir erhielten dann abwechselnd Mails, dass das Paket an der Mexikanischen Grenze feststeckte, oder nicht auffindbar war, oder an der Kanadische Grenze (!) steckte. Unser Kontaktmann von Colligo hat sich mächtig ins Zeug gelegt und vier lange Wochen später konnte das Paket endlich von Brent in Ensenada entgegengenommen werden, natürlich nicht ohne saftige Zollgebühren.

Und was nun?

Raul war Feuer und Flamme für die neuen Kabel und wollte sie sogleich einbauen. Es blieb beim "wollte", denn die Festmacher für die Kabel am Steuerquadranten wurden aufgrund von Gründen nicht mit an Colligo gesendet. So wurden die Enden ohne Festmacher gespleisst und nun sind die Kabel möglicherweise zu lang. Fail. Wir haben dann entschieden, dass er die Kabel nicht einbauen soll und wir es selbst machen werden, sobald wir wieder beim Schiff sind.

Unser Schiff steht nun also de facto manövrierunfähig in der Marina.

Sind die Steuerkabel zu lang?

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