Boatyard Chronicles: Hitze, Hunde und ein umgefallener Strommast

Es ist ruhig, die Temperaturen steigen, und vermeintlich läuft nicht viel. Aber nur, wenn man nicht genauer hinschaut. Denn unser Deck verwandelt sich Tag für Tag und die Abdichtung der Fenster macht Fortschritt. Auch unsere kleine Hundefamilie findet ein neues Zuhause. Neben geselligen Abenden mit Freunden erleben wir einen unglücklichen Zufall. Aber wir geniessen auch mexikanische Spezialitäten, verbessern unsere Spanischkenntnisse und werden reich beschenkt.

Es ist ruhig hier auf dem Boatyard – abgesehen von den Schleifmaschinen, die täglich unser Deck ein Stück geschmeidiger machen. Es hat kaum andere Segler und unsere Projekte gehen Schritt für Schritt vorwärts. Aber alles andere als ruhig ist aktuell auch gar nicht möglich. Das Thermometer ist nun das erste Mal auf 45°C geklettert, da läuft nicht mehr viel, ausser Schweiss den Rücken runter. Das liegt unter anderem daran, dass unser Unterwasserschiff schwarz ist und am morgen die eine Seite von der Sonne angeschienen wird und am Nachmittag die andere. Nette Bodenheizung, die niemand braucht.

Ein Plätzchen für die Hundis

Bevor es so heiss wurde, gelang es uns glücklicherweise, einen Platz für die Hundemama und ihre 5 Welpen zu finden. Segelfreunde aus Peñasco - Sarah vom SV Mapache 2.0 und Marla vom SV Cavu - zogen alle Register und überzeugten Barb’s Dog Rescue in Peñasco, die kleine Hundefamilie aufzunehmen. Rob und Sarah haben ihre SV Mapache im benachbarten San Carlos aus dem Wasser geholt, um im Sommer mit ihrem Minivan eine kleine USA-Tour zu machen. Es passte wunderbar, dass Peñasco auf ihrem Weg lag, so dass sie die Hundis mitnehmen konnten.

Eine folgenschwere Entscheidung

Bevor es aber so weit war, feierten wir unser Wiedersehen mit Bier und Rockmusik im Hair of the Dog. David legte auch gleich noch eine kleine Schlagzeug-Show mit der Band ein. Der Nachtwächter war dann auch so nett und liess Rob und Sarah ihren Van neben unserem Schiff parkieren, was im Nachhinein leider eine ziemlich schlechte Entscheidung war. Als wir am nächsten Morgen kurz nach Sonnenaufgang den beiden Kaffee brachten, sahen wir, dass einer der Strommasten am Boden lag. Wir kümmerten uns aber nicht weiter darum, luden die Hundis ins Auto und winkten der kleinen Reisegruppe zum Abschied zu.

Keine Spritztour?

Kurze Zeit später klopfte es an unserer Hülle und ein erhitzter Boatyard-Chef stand unten. Unsere Freunde hätten mit ihrem Van den Strommasten umgerissen und müssten jetzt für den Schaden aufkommen. Wir kratzten uns am Kopf und konnten uns beim besten Willen nicht daran erinnern. Als wir schlafen gingen stand der Pfosten noch, und als wir aufwachten, lag er am Boden. Und Rob und Sarah schworen, dass sie keine nächtliche Spritztour auf dem Boatyard unternommen hatten. Doch alle Beteuerung halfen nichts. Man war von der Schuldfrage und trotz diverser Augenzeugen überzeugt und hatte auch gleich noch den armen Wächter gefeuert.

Ein unglücklicher Zufall

Bei näherer Betrachtung stellte sich aber heraus, dass das ganze einfach ein sehr unglücklicher Zufall war. Das untere Ende des Pfostens war schlichtweg morsch und irgendetwas hatte ihn dazu bewogen, in dieser Nacht das Zeitliche zu segnen. Dass die Arbeiter dann auch weitere krumm stehende Pfosten untersucht, gekürzt und neu einbetoniert haben (was aus meiner Sicht einem Schuldeingeständnis gleichkommt), änderte nichts an der Überzeugung des Chefs. Zu Schaden kamen zum Glück nichts und niemand, doch das ungute Gefühl blieb. Aus einer eigentlich kleinen Sache wurde unnötigerweise ein riesiges Trara gemacht.

Ende gut, alles gut

Dennoch waren wir überglücklich, dass Hundemamma «Milly» - so wurde sie von Rob und Sarah in Anlehnung an Milagros genannt – mit ihren 1-Woche alten Kleinen ein besseres Zuhause als auf einem Boatyard unter einem Schiff fand. Natürlich waren wir auch traurig, dass wir nicht erleben würden, wie die Welplis ihre Augen öffneten und damit begannen, die Welt zu erkunden und Persönlichkeiten zu entwickeln. Aber so war es für alle am besten. Wir unterstützen nun Barb’s Dog Rescue mit einem monatlichen Beitrag. Falls du auch etwas beitragen möchtest, kannst du das

Tierasyl Milagros

Noch am gleichen Tag übernahmen wir die Betreuung von «Sailor», einer Katze von anderen Seglern auf dem Boatyard. Wir würden für die kommenden Woche für ihn sorgen, während sie ihre Familie in den USA besuchten. Der lustige Katerich ist ziemlich pflegeleicht, denn er erforscht die meiste Zeit den Boatyard und taucht zu den Essenszeiten wieder auf.

Fensterarbeit

Während wir jeden Morgen an unseren Laptops verbringen, kümmern wir uns nachmittags um weitere Projekte. Wir haben schon davon berichtet, dass wir alle Fensterrähmen entfernt und versiegelt hatten. Und dass wir alle Fenstergläser aus den Rahmen genommen haben, da die meisten davon undicht waren. Nun war das Einsetzen der Scheiben an der Reihe. Nachdem wir uns endlich für eine Abdichtmasse entschieden hatten (ich geh hier nicht weiter darauf ein, aber eins kann ich sagen: es war obermühsam, vor allem die Kommunikation mit den Kundendiensten der amerikanischen Anbieter), konnten wir uns dem Abdichten widmen.

Ein Desaster?

Als wir uns dafür einrichten und das erste Würstchen der schwarzen Dichtmasse auf den Bronze-Rähmen verteilten, prophezeite David, dass es ein Desaster werden würde. Nun ja, man kann nicht direkt von Destaster sprechen, aaaaber wir veranstalteten schon eine ziemliche Schweinerei. Überall quoll Dichtmasse raus – was es ja eigentlich auch soll –, als wir die Scheibe in den äusseren Rahmen legten und den inneren Rahmen darauf schraubten. Aber das Saubermachen gestaltete sich schwierig. Wenn die Fuge auf der einen Seite gut war, verschmierte wieder was auf der anderen Seite. Und wenn wir das Ganze wieder drehten, passierte irgendetwas auf Ersterer.

Lernkurve

Wir lernten daraus und entschieden, das ganze nun in zwei Schritte aufzuteilen. Mit jedem Rahmen werden wir schneller und auch die Fugen werden schöner. Schade, dass wir nur 10 Fenster haben und diese Arbeit – hoffentlich – nie wieder machen müssen. Aber wir verstehen schon, weshalb es 300 USD kostet, wenn man die Fenster in die USA schickt und das ganze machen lässt.

Ein wichtiges Projekt

Ein weiteres Objekt, das den Geist aufgegeben hatte, war unser Wasserhahn in der Küche. Die Basis war durchgerostet und stand nun nur noch wegen den angeschlossenen Schläuchen mehr oder weniger gerade in der Küchen-Landschaft. Der neue Hahn war schnell ausgesucht und gekauft. Aber wer konnte ahnen, dass seine Anschlüsse anders waren als beim Vorgänger? Auch nach mehr als 2 Jahren auf dem Schiff haben wir das immer noch nicht gelernt. Aber es ist schon erstaunlich. Wie viele verschiedene Anschlüsse kann es für amerikanische Wasserhähnen geben? Die Neuen waren nicht gleich wie die Alten, und waren auch anders als beim Wasserhahn im Badezimmer. Dass wir hier in Mexiko kein passendes, nur aus einem Teil bestehendes Verbindungsstück finden würden, war uns von Anfang an klar. David fand aber nach dem Besuch von verschiedenen Läden eine akzeptable Kombo. Wir haben auf jeden Fall wieder fliessend Wasser in der Küche.

Fertig mit Nähen

Meine Nähprojekte musste ich auch zu Ende bringen, denn der Besitzer der Nähmaschine wollte zurück in die USA. Mithilfe einer Schubkarre und Mario, einem Boatyard-Mitarbeiter und mit der Bezahlung in Form von Bier brachten wir die Nähmaschine nach San Carlos. Der Besitzer Tom wohnt dort mit seinem Pickup-Wohnwagen am Strand. Nach ein paar Bierchen mit schönem Ausblick war Essenszeit. Mario fuhr mit uns in «sein» Quartier Guaymas Norte, und führte uns nach einer Sight Seeing Tour zu einem seiner Lieblingstacostände. Mmmmh, Tacos gehen einfach immer!

Suppenzeit

Wir lernten auch noch eine weitere mexikanischen Spezialität kennen. Hortencia, Kassiererin im Oxxo (sowas wie Coop Pronto) um die Ecke und neue Partnerin eines Seglers hier im Boatyard, lud uns für Pozole zu sich nach Hause ein. Pozole ist ein typisch mexikanischer Eintopf. Wikipedia sagt dazu «Die Hauptzutat bei Pozole sind spezielle dicke, nixtamalisierte Maiskörner. Die Körner werden dafür einige Stunden in einer Wasser-Calciumoxid-Lösung vorgekocht. Dieser Vorgang lässt die Maiskörner ihre fasrige Schale verlieren. Danach wird der Mais aus der Lösung entfernt und gewaschen. Bevor er verzehrfertig ist, wird er ein zweites Mal für einige Stunden gekocht, danach wird meist Schweine- oder Hühnerfleisch zugegeben.» Man sagt, dass Pozole bei den Azteken und anderen indigenen Stämmen in Mesoamerika entstand. In historischen Texten heisst es, dass die Pozole der Ureinwohner aus geopfertem Menschenfleisch hergestellt und zu besonderen Anlässen gegessen wurde. Wir hatten eine mit Schweinefleisch, wurde uns jedenfalls gesagt.

Pozole

Spanischlektionen mit Dessert

Wir genossen den Abend weg vom Boatyard, mit Musik und einem kühlenden Ventilator. Hortencia und ihr Sohn Saul sprechen zwar kein resp. ein bisschen Englisch, aber beide verstehen sich hervorragend darin, einfaches Spanisch zu sprechen. So dass wir normal mit ihnen sprechen können und auch verstehen, was sie sagen. Und wenn wir mal nix verstehen, können sie die Wörter passend umschreiben. So lernen wir viel und verbessern unser Spanisch immer mehr. Und es macht auch mehr Spass, wenn man sich unterhalten kann. Zum Dessert gab es nicht nur Ananas-Tamales, sondern auch selbstgemachte Mangotarte mit Mangos aus ihrem Garten. Von ebendiesen gab sie uns noch einen ganzen Sack voll mit. Dank unserem Eismacher verwandeln sich diese rasch in Mangoslushies, eine dringend benötigte Abkühlung.

Ein Wiedersehen

Aus dem Nichts erhielt David im Mai eine WhatsApp Nachricht von Alex von SV Blue Wind: «Wo zur Hölle seid ihr?» Wir hatten Alex (Landesgenossin aus dem Welschen) und ihre Partnerin Christina ganz am Anfang unserer Schiffskarriere in Puerto Peñasco kennengelernt und seither nicht mehr gesehen. Jetzt, fast 2.5 Jahre später holten sie ihr Schiff in San Carlos aus dem Wasser. Also begaben wir uns für eine weitere Wiedersehensfeier ins Hair of the Dog.

Interessante Bekanntschaft

Während wir uns gegenseitig auf den neusten Stand brachten, tauchte neben uns an der Bar ein Typ in unserem Alter auf. Mit der Bedienung sprach er ein paar Worte Spanisch, aber es war zu hören, dass er aus den USA stammte. Er quatschte auch uns an und es entstand eine witzige Konversation. Er sprach mit uns nämlich Spanisch und wir antworteten auf Englisch. Er bot uns sogleich einen Shot Tequila an, den wir dankend ablehnten, den wir aber dann dennoch kriegten. Okaaaaay. Vorgestellt hat er sich mit Jacobo, oder Jake, und war eine Ausnahmepersönlichkeit. Er weibelte durch die ganze Bar, machte Spässchen mit allem und jedem und war einfach ein kurliger – vielleicht auch ein bisschen verrückter – Typ. Es stellte sich heraus, dass er ebenfalls Segler war und sein Schiff am gleichen Dock wie Blue Wind lag. David und Jake erfanden auch spontan ein Segelschiff mit einem riesigen Ventilator, mit dem man auch ohne Wind segeln konnte. Es wird uns schon nie langweilig.

In drei Wochen fliegen wir bereits nach Hause. Den Temperaturen nach werden wir wohl unsere Wollpullover montieren müssen 😉

Anstatt uns ein Bier zu spendieren (was du natürlich trotzdem tun kannst), kannst etwas bei Barb's Dog Rescue spenden. Jeder Betrag hilft ihnen, die Rettung am Laufen zu halten. Herzlichen Dank!

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