Antifouling schleifen – eine giftige Angelegenheit

"Wenn es Meeresorganismen töten kann, kann es auch dich töten."
"NIEMALS Antifouling schleifen!"
"Ich habe mein Antifouljng weggeschliffen. Es hat Wochen gedauert und würde es nie wieder tun."
"Versucht es mit chemischen Farbentfernern!"

Osmose-Bläschen am Unterwasserschiff eines Kelly Peterson 44 Blauwasser Segelschiffs.

Das sind nur ein paar von vielen Aussagen, mit denen ich konfrontiert wurde, als ich mich darüber informiert habe, wie wir unser Antifouling entfernen sollen. Was ist denn nun der richtige Weg?

Wir sind nun schon einige Zeit auf der Cabrales Boatyard und haben uns eingelebt. Es ist toll hier zu sein. Die Tage sind gefüllt mit kleinen Aufgaben und gehen wie im Flug vorbei. Langsam aber sicher kommen wir in den Umbau-Modus. Wir schmieden Zeitpläne und machen uns praktisch täglich Listen darüber, was zu erledigen ist. So wollen wir vermeiden, dass wir in einen Ferientrott kommen und etwas vergessen. Der Tenor der anderen Segler auf dem Trockenplatz ist – so schnell wie möglich wieder ins Wasser!

Freibord und Antifouling schleifen

Der erste grosse Posten, um den wir uns kümmern wollen, ist der Anstrich der Hülle von Milagros. Dieser ist extrem in die Jahre gekommen. Wir wollen am Unterschiff das alte Antifouling entfernen und das Freibord (die Hülle über der Wasserlinie) schleifen. Wie in Carmen and Iñaki’s Blogposts nachzulesen, brennt die Sonne im mexikanischen Sommer erbarmungslos vom Himmel. Was für uns Menschen ein Graus sein kann, ist perfekt um das Fiberglas von Schiffshüllen auszutrocknen. Das ist wichtig für neue Anstriche, da die Hülle für einen neuen Farbaufbau eine so geringe Feuchtigkeit wie möglich aufweisen sollte. Somit haben wir entschieden, als erstes grösseres Projekt die Schiffshülle in Angriff zu nehmen, beginnend mit dem Unterwasserschiff. Eine wichtige Frage dabei ist: Wie wollen wir das Antifouling entfernen? Dieses Vorhaben hat nämlich so seine Tücken.

Antifouling schleifen ist vonnöten am Unterwasserschiff dieses Segelschiffs
Unsere Hülle muss dringend trocknen

Antifouling schleifen ist giftige Arbeit!

In der Zusammensetzung von Antifouling-Farben befinden sich Biozide, um den Bewuchs der Schiffshülle durch Meeresorganismen zu vermeiden. Hat man zu viel Bewuchs (Fouling) am Unterschiff, kann sich das merklich auf die Performance auswirken. Bei grossen Containerschiffen beispielsweise schlägt sich das direkt im Treibstoffverbrauch nieder. Das wiederum kostet die Reedereien teuer Geld. Die Auswirkungen der Biozide und der Chemie in den Antifouling-Farben sind aber auch umwelttechnisch nicht zu unterschätzen und giftig für den menschlichen Körper.

Ein grosses Containerschiff auf dem Weg entlang der Pazifikküste der Baja California Halbinsel
Für diese grossen Kolosse ist ein sauberes Unterwasserschiff von grosser Wichtigkeit..

Antifouling entfernen – das macht auch das Schiff selbst

Das Antifouling auf unserer Schiffshülle ist eine selbstpolierende Farbe. Das heisst, dass die Antifouling-Farbe während der Fahrt durchs Wasser abgetragen wird und sich sozusagen selbst erneuert und Biozide freisetzt. Somit bleibt der Schutz vor Bewuchs so lange aktiv, bis die Farbe weg ist und erneuert werden muss. Antifouling entfernen leicht gemacht. Millionen von Schiffen verteilen so tagtäglich fröhlich Biozide in den Weltmeeren. Soll noch einer sagen, dass wir Segler die grossen Umweltschützer sind. Firmen wie Coppercoat versuchen dem entgegen zu wirken. Überhaupt wird viel Forschung darüber betrieben, wie man dem Bewuchs an Schiffen umwektverträglicher vorbeugen könnte. Auch hier findet das Umdenken leider etwa 20 Jahre zu spät statt.

Auf welche Arten lässt sich Antifouling entfernen?

Das Phänomen Antifouling ist erstens nicht gut für die Umwelt und zweitens nicht gut für den Menschen, wenn er das Antifouling entfernen will. Daher ist grosse Vorsicht geboten. Antifouling-Staub sollte unter keinen Umständen eingeatmet werden. Ich habe mich im Vorfeld über die verschiedenen Arten informiert, wie man Antifouling entfernen kann, die da wären:

  • Das Antifouling schleifen (nass oder trocken)
  • Abbeizen mit chemischen Farbentfernern
  • Abschaben
  • Sandstrahlen (lassen)

Während die ersten drei Möglichkeiten relativ billig, gesundheitsgefährdend und extrem arbeitsintensiv sind, geht Letzteres schnell, ist relativ harmlos, aber verhältnismässig teuer. Daher die Frage, welche Art nutzen wir? Wir haben uns ein wenig auf der Cabrales Boatyard umgehört und praktisch alle Parteien haben sich fürs Sandstrahlen entschieden. Trotzdem wollte ich es im Antifouling schleifen versuchen. Wer mich kennt, weiss – warum einfach, wenn man auch den schwierigen Weg gehen kann.

Beschädigte Unterwasserfarbe vor unsere Bootsumbau, Zeit fürs Antifouling schleifen
Weg mit dem alten Geschmiere!

Die spinnen, die Schweizer!

Ich entschied mich fürs trocken schleifen, da ich nicht sicher war, ob unsere Bosch GEX 40-150 einen grossen Einsatz als Nassschleifmaschine überleben würde. Er ist komplett verrückt geworden! Er wird sich vergiften, werden viele sagen. Ich habe viele Horrorgeschichten gelesen (Nachforschungen im Internet eben). Da ich aber viele Jahre als Maler gearbeitet habe, weiss ich jedoch, auf was ich mich mit dem Antifouling einlasse. Ich habe schon viele giftige Anstriche in tage- und wochenlanger Schleifarbeit entfernt. Ich weiss daher auch, wie ich mich optimal schützen kann, damit ich nicht direkt am Anfang des Umbaus einen elenden Tod sterben muss.

Meine Vorsichtsmassnahmen

Nachdem wir unsere Riesenlandung Schleifscheiben in der Ferreteria de Puerto Peñasco abgeholt hatten, konnte es losgehen. Zuerst habe ich Kleidung ausgesucht, die einzig fürs Antifouling schleifen eingesetzt wurde und wird. Sie kommt nicht an Bord des Schiffs und wird nur an der frischen Luft getragen. Darüber trage ich einen Ganzkörper-Overall mit Kapuze, Handschuhe, eine Feinstaubfilter-Maske und eine luftdichte Brille (die wahrscheinlich vom Vorbesitzer von Milagros als Schwerwetter-Brille vorgesehen war). Antifouling schleifen ist gesundheitsschädlich und daher der Selbstschutz von grösster Wichtigkeit.

Meine technische Ausrüstung fürs Antifouling schleifen

Unsere Bosch GEX 40-150 Schleifmaschine ist mit einem Industrie-Staubsauger verbunden, um dem Austreten von Antifouling-Staub vorzubeugen. Dies nicht nur als Schutz für mich, sondern auch für alle anderen Lebewesen im Boatyard. Nach der Arbeit geht’s sofort unter die Dusche und das ganze Material wird jeden Abend sauber gemacht und der Staub aus dem Staubsauger in einem luftdichten Sack für die Entsorgung gesammelt. So der Plan.

Antifouling schleifen auf mexikanische Art

Wenn man das nötige Equipment zusammen hat, ist die Staubentwicklung vom Antifouling schleifen minimal. Glücklicherweise sind wir auf einem Boatyard in Mexiko und können so mehr oder weniger tun und lassen, was wir wollen. Ich wollte von Marc und Laura auf ihrem Stahlschiff "Liquid" wissen wohin mit meinem bioziden Dreck. "Sammeln und ab in den Müll damit". Andere Länder, andere Sitten. In Europa oder den USA hätten wir ein Zelt um unser Schiff bauen müssen und der Staub vom Antifouling schleifen hätte als umweltsensitiver Abfall speziell entsorgt werden müssen. Natürlich haben wir uns nicht nur mit Umweltverschmutzung, Tod und Verderben befasst.

Sonnenuntergang auf dem Cabrales Boatyard in Rocky Point, Puerto Peñasco
Man muss auch mal geniessen können!

Leibliches Wohl auf mexikanische Art

Wir leben wie die Maden im Speck hier in Mexiko. Antifouling schleifen ist eben nicht alles, wir mussten ja auch noch das Leben geniessen. Wer den Blog regelmässig liest, weiss wovon wir reden. Wir haben die ganze Woche hindurch an unseren Taco-Kreationen gefeilt. Mal vegetarisch, mal mit Hackfleisch, mal mit dicken Rindfleischstücken. Wir haben uns auch den einen oder anderen Streetfood-Ausflug gegönnt und wurden nie enttäuscht. An unserem ersten Jahrestag auf dem Schiff gingen wir sogar in ein Restaurant!

Verliebt in Tiramisu
Meeeein Schaaaatttzzzz!

Ein Schritt vorwärts im Coffee Game

Nachher Captain Max aus Ensenada aus Ensenada gelesen hat, dass wir noch auf der Suche nach einer guten French Press sind, hat er uns sogleich eine besorgt und zugeschickt. Danke Captain Max! Was folgte war eine Irrfahrt quer durch die Hafenzone von Puerto Peñasco auf der Suche nach gutem, hochwertigem Kaffeepulver. Nicht mal das "Kaffeehaus" hatte Kaffeepulver zu verkaufen. Das soll mal einer verstehen. Auch 2-3 andere Einkaufsläden in der Umgebung vom Boatyard führten schlichtweg keinen Kaffee im Sortiment. So radelten wir einmal rund ums Hafenbecken und wieder zurück. Zum Glück lotste uns Google Maps zu den "Old Port Coffee Roasters" in der völlig menschenleeren Tourizone von Puerto Peñasco. Dort wurden wir endlich fündig und die French Press konnte würdig eingeweiht werden.

Wir fühlen der Schiffshülle auf den Zahn

Vom Kaffee gestärkt widmete ich mich ich wieder den einfach beschleifbaren Stellen wie dem Kiel oder unserem Ruder. Das Überkopf-Schleifen liess ich noch aussen vor. Wir wollten zuerst sehen, wie denn unsere Hülle unter ihren alten Anstrichen ausschaut. Gute Neuigkeiten von dieser Front, das Fiberglas ist in einem Topzustand. Es zeigten sich allerdings viele kleine Osmose-Bläschen, das war uns aber bereits bekannt. Ich kam gut voran mit meinem Schleifprojekt, und hatte Spass auf meiner Entdeckungsreise mit meiner Bosch GEX 40-150. Ich entdeckte sogar noch eine alte Reparatur am Kiel. Dürfte eine Kollision gewesen sein. Diese ist allerdings bestens repariert worden und deshalb kein Grund zur Besorgnis.

Wer nicht hören will muss fühlen

Dann ging es ans Überkopf-Schleifen. Und der Spass hörte sofort auf. Ich war innert kürzester Zeit körperlich und mental am Limit. Die Schleifmaschine wurde immer schwerer, die Arme immer schwächer, der Geist ebenso. Auch kam ich von einem Moment auf den anderen nur noch halb so schnell vorwärts, denn Ich konnte den nötigen Druck auf die Maschine nicht aufrechterhalten. Wenn ich es trotzdem versucht habe, war ich mit dem Gesicht viel zu nahe an der Maschine. Ein Sicherheitsrisiko. Für mein Gesicht und auch für meine Atemwege.

Ich gebe auf!

Nach nicht einmal einem halben Tag war der Fall klar. Unter keinen Umständen würde ich tage- vielleicht sogar wochenlang über Kopf Antifouling schleifen. Alle anderen hatten eben trotzdem Recht. Das muss man sich echt nicht antun. Genervt meldete ich meine Entscheidung Pati. Sie antwortete mit einem Becher Kaffee und etwas zu essen. Sie ist halt die Beste. Aber was nun?

Schleifarbeit an der Hülle eines Kelly Peterson 44 Blauwasser Segelschiffs
So weit bin ich gekommen. Ich habe wohl zu lange in einem Büro gearbeitet.

Die Letzten werden die Ersten sein

Von diesem ersten kleinen Rückschlag würden wir uns natürlich nicht ins Bockshorn jagen lassen. Dass Antifouling schleifen kein Zuckerschlecken werden würde, war von Anfang an klar. Nun galt es, eine Lösung für unser Problem zu finden. Und diese kam schneller als gedacht und dürfte ziemlich interessant werden.

Sollten wir noch nicht am Antifouling gestorben sein, kannst du uns gerne auf Patreon mit einem monatlichen Beitrag deiner Wahl unterstützen! Vielen Dank!

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